Cäsar Cascabel
Hindernisse ausgeführt werden würde, und zwar bevor die ersten Fröste über die Ebenen von Alaska hereinbrechen würden.
Auf den Rat des Herrn Sergius hin beschloß man, einige der zur Reise durch die Steppen nötigen Gegenstände anzukaufen. Vor allem mußte man mehrere jener Brillen anschaffen, welche beim Passieren weiter Schneeflächen unerläßlich sind. Die Indianer verstanden sich dazu, ein Dutzend solcher Brillen gegen einige Glaswaren einzutauschen. Diese Brillen waren ganz aus Holz und bedeckten das Auge vollständig, während der Blick nur durch eine enge Ritze drang. Das genügte, um sich ohne allzu große Mühe zurechtzufinden, und man entging dadurch den Augenentzündungen, welche der grelle Widerschein des Schnees unfehlbar hervorrufen würde. Das ganze Personal probierte dies Schutzmittel und konstatierte, daß es sich leicht daran gewöhnen werde.
Nachdem so für die Augen gesorgt war, mußte man an die Fußbekleidung denken; denn man geht nicht in dünnen Stiefeletten oder Schuhen durch die den sibirischen Unwettern ausgesetzten Steppen spazieren.
Das Warenlager von Noulato lieferte mehrere Paare hohe Stiefeln von Seehundsfell, welche sich am besten zu langen Reisen auf gefrorener Erde eignen und mittelst Bestreichens mit Fett wasserdicht gemacht werden.
Herr Cascabel sah sich hierdurch bewogen, mit großem Nachdruck folgende sehr richtige Bemerkung zu machen:
»Es gereicht immer zum Vorteil, sich so zu kleiden, wie die Tiere des Landes, in dem man gerade weilt, gekleidet sind. Da nun Sibirien das Land der Seehunde ist… so kleiden wir uns als Seehunde…«
»Als bebrillte Seehunde!« antwortete Xander, dessen Einwurf die väterliche Billigung erlangte.
Die Familie blieb zwei Tage im Fort Noulato, zwei Tage der Ruhe, welche ihrem mutigen Gespann genügten. Sie hatten Eile, nach Port-Clarence zu kommen. Früh am einundzwanzigsten August setzte die Belle-Roulotte ihre Fahrt fort, indem sie hier das rechte Ufer des großen Stromes endgültig verließ.
Der Youkon macht nämlich an dieser Stelle eine bedeutende Schwenkung nach Südwesten, um sich schließlich in den Norton-Sund zu ergießen. Indem man seinem Laufe folgte, hätte man die Reise nutzlos verlängert, da seine Mündung sich unterhalb der Beringstraße befindet. Von dort hätte man gegen Port-Clarence hinausfahren müssen, über ein von Fjorden, Buchten und Kanälen durchschnittenes Küstengebiet, wo Gladiator und Vermout sich unnütz übermüdet hätten.
Die Kälte machte sich bereits recht fühlbar. Wenn auch die sehr schrägen Strahlen der Sonne noch helles Licht verbreiteten, so gaben sie doch wenig Wärme mehr. Dichte, graue Wolkenmassen drohten, sich in Schnee aufzulösen. Das kleinere Wild wurde selten und die Zugvögel begannen vor dem Winter südwärts zu flüchten.
Bis zu diesem Tage hatten Herr Cascabel und die Seinigen nicht allzu sehr unter den Anstrengungen der Reise gelitten – ein Ergebnis, zu dem man sich aufrichtig gratulieren konnte! In der That mußten sie mit einer eisernen Gesundheit ausgestattet sein – was offenbar ihrem Wanderleben, ihrer Abhärtung gegen jedwedes Klima, ihrer durch körperliche Übung gestählten Konstitution zuzuschreiben war. Demzufolge war die Hoffnung gerechtfertigt, daß sie alle heil und gesund in Port-Clarence eintreffen würden.
Und so geschah es denn auch unterm Datum des fünften September, nachdem sie fünfhundert Meilen von Sitka und gegen elfhundert Meilen von Sakramento aus – also cirka sechzehnhundert Meilen durch Westamerika im Laufe von sieben Monaten zurückgelegt hatten.
Fußnoten
1 Die Breite von Droutheim in Norwegen.
XV. Port-Clarence.
Port-Clarence ist der am weitesten gegen Nordwesten vorgerückte Hafen, welchen Nordamerika an der Beringstraße besitzt. Südlich vom Prince-of-Wales-Kap gelegen, nimmt es eben den Teil des Ufergebietes ein, welcher die Nase des durch die alaskische Küste dargestellten Profils bildet. Der Hafen bietet vorzüglichen Ankergrund und ist daher von den Seefahrern und besonders von den Walfischfängern, deren Schiffe ihr Glück im Polarmeere suchen, hoch geschätzt.
Die »Belle-Roulotte« hatte an dem steilen Ufer des inneren Hafens, nächst der Mündung eines kleinen Flusses, im Schutze hoher, von mageren Birken gekrönter Felsen Posto gefaßt. Dort sollte der längste Aufenthalt der ganzen Reise genommen werden. Dort sollte die Rast der kleinen Truppe sich in die Länge ziehen, – eine erzwungene Rast, bedingt durch den
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