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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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Patrizier taten es. In der Monarchie, weit distanziert zum König, hatten sie sich, wenn auch privilegiert, zum Volk rechnen müssen und eifrig mitgemixt. Jetzt waren sie die Spitze, auf die man blickte. Und siehe, sie erwiesen sich an allen Ecken und Enden, in Handel und Wandel als das, was sie vorher gewesen waren, als handfeste Konkurrenten. Das schadet dem Nimbus. Nicht so sehr dem Nimbus der Patrizier (wenn sie so sein wollten, bitte), als dem Nimbus der »Spitze«. Es waren nicht die Schlechtesten aus dem Volk, die die Spitze als »nicht besetzt« empfanden.
    Daraus einen frühen Klassenkampf zu konstruieren, wie es heute gelehrt wird, ist recht albern. Es gab kein drückendes/Klassengefühl, es gab auch keine Verhältnisse, die als »himmelschreiend« empfunden wurden. Es gab, seit der Absetzung des Königs, Lücken im Gefüge, ein Vakuum in der Spitze. Die Patrizier wollten es durch einen Personenkreis, nämlich ihren, besetzen, die Plebejer durch etwas Abstraktes, durch Gesetze.
    Das scheint uns heute selbstverständlich, damals war es etwas aufregend Neues. Es gab gar keine Gesetze. Alles hatte auf der »fides«, dem Vertrauen, beruht. Deshalb ist das Jahr 450 ein Markstein. Zehn Männer wurden beauftragt, die Grundgesetze zu formulieren; noch keine Staatsverfassung, wohl aber so etwas wie eine Niederschrift der bürgerlichen Grundrechte und -Pflichten. Eine schwierige Sache für brave Leute, die erst seit hundert Jahren lesen und schreiben konnten.
    Die Zehn taten also das Klügste, was sie tun konnten, sie ließen sich erst einmal die Solonischen Gesetze kommen und sahen sie sich an. Daß es wirklich so gewesen ist, beweist das Wort ποινή, das sie wörtlich übernahmen. Poena heißt das »Strafmaß«, ein Begriff, den sie vorher umständlich hatten umschreiben müssen. Es ist ein hübscher, heiterer Gedanke, sich vorzustellen, daß dieses Wortgeschenk sie furchtbar gefreut hat. Es schälten sich zwölf Gesetze heraus. Sie wurden in Bronzetafeln graviert und auf dem Forum aufgestellt. Juristisch waren sie keine Glanzleistung, aber sie waren eine Beruhigung. Was noch fehlte, ersetzte die »fides«, Treu und Glauben. Ehrfurchtsvoll haben noch zur Zeit Caesars die Kinder in der Schule die Zwölf Gesetze im Urtext auswendig gelernt.
    Anstelle des Königs waren nun zwei Konsuln getreten. Consulare = beraten, Sorge tragen, beschließen. Sie waren auch die obersten Richter (später wurden es die Prätoren) und die obersten Feldherren. Sie durften nur ein Jahr im Amt bleiben. Ihnen zur Seite stand der Senat. Senex = der Mann im ehrwürdigen Alter. Die Senatoren wurden auf Lebenszeit gewählt. Sie waren der »Generalstab«; tatsächlich trugen sie auch, wie unsere Militärs, einen breiten Purpurstreifen auf der Toga. Beide Staatsämter, Konsulat und Senat, standen nur den Patriziern offen.
    Das klingt heutzutage übel. Damals war es eine sehr vernünftige Regelung. Sicherlich hat es manchen Schuster oder Fischhändler gegeben, der sich mit einem wachen Verstand in einer Generation alles das rasch angeeignet hatte, was es in Politik und Wirtschaft so zu reden gab. Unterlegen aber war er ohne Zweifel in der fehlenden, langen Erziehung zum Beamtentum, in seiner mangelnden Kultur, in dem Fehlen aller auswärtigen Verbindungen, in dem mangelnden Verständnis für den Vorrang der Außenpolitik vor der Sozialpolitik und... im Fehlen des Geldes. Die Ämter waren unbezahlt. Sie brachten nicht Geld, sie verschlangen Geld. Den Konsuln und Senatoren stellte das Volk stets das Ansinnen, mit ihrem eigenen Vermögen einzugreifen. So weit war der Fischhändler nun wirklich nicht.
    Aber etwas anderes konnte unser aufgeweckter Fischhändler seit neuestem werden, und das war ebenfalls unerhört: Volkstribun.
    Seit Shakespeares Coriolan wissen alle Abonnenten eines Stadttheaters, was ein Volkstribun ist: ein aufgeregter Mann, der inmitten von Volk auf einer Kiste steht, seine Toga mit der Faust vor die Brust preßt und »Niemals!« ruft, eventuell auch »Immer!«. Das Bild ist falsch: Es hat damals noch keine Kisten gegeben.
    Es gab zwei (später zehn) Volkstribunen. Sie wurden von allen Plebejern, also allen Nicht-Patriziern gewählt, galten (das war sehr schwer durchzusetzen gewesen) als unverletzlich und sollten ein Korrektiv zu dem Beamtenprivileg des Adels bilden. Sie waren in den besten, das heißt frühen Zeiten ein Mittelding zwischen Amtsprüfern, Bücherrevisoren und Pflichtverteidigern. Sie konnten auch so etwas

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