Cäsar läßt grüssen
Ähnliches tun wie heute noch die amerikanischen Anwälte: einen Klienten durch die Habeas corpus-Akte befreien. Das war schon allerhand! Noch wirksamer war ihr berühmtes »Veto!«. Dieses »Ich erhebe Einspruch« stoppte, wenigstens für den Moment, jede Entscheidung. Eine schöne Bombe. Man könnte sagen: Das hatten die Patrizier nun davon! Ja, natürlich, das hatten sie davon. Aber weder der erste Schachzug noch der zweite war aus Haß geboren. Wenn die Plebejer aus Einsicht den ersten akzeptiert hatten, so akzeptierten jetzt die Patrizier aus Einsicht den anderen. Gern? Du lieber Gott! Was hat denn »gern« mit Einsicht zu tun. Gern kommt aus dem Bauch und ist kein Maßstab.
Eine ganz hübsche, kleine Verfassung hatte man sich da also aufgebaut. Das beste an ihr war, daß die anderen Städte sie nicht besaßen. Rom hatte alle Aussicht, unbehelligt zu bleiben.
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Auch die anderen Latiner und die Bergvölker, die Volsker, die Aeguer und die Marser, alle waren in diesen Jahren unbehelligt, denn die etruskische Wölfin hatte sich auf die Hügel der Toskana zurückgezogen, leckte sich die Wunden und hoffte, daß ihr die dritten Zähne wachsen würden.
Unbehelligt zu sein, ist eine gute Grundlage zum Frieden; aber es ist eine noch viel bessere Grundlage zum Kriege. Nichts geht über das Behagen, sich bei einem Pfeifchen am Kamin eine Überraschung für den Nachbarn auszudenken, weit weg vom eigenen Heim natürlich. Gut ist es, wenn ein Gebirge oder ein Ärmelkanal dazwischenliegt.
Die Volsker und Aeguer legten noch einen zweiten Palisadenzaun um ihre Dörfer und stiegen dann unternehmungslustig in die Ebene hinab; die einen, um die Kornernte etwas aufzubessern, die anderen, um endlich mal im Meer zu baden, beide zusammen, um sich etwas die Füße zu vertreten. Ihre Ausflüge führten sie bis in die Nähe Roms. Die Römer waren ziemlich überrascht, und das nicht nur innerlich, sondern leider auch militärisch.
Viel mehr wissen wir nicht. Aber nun schaltet sich wieder einmal in bekannter Hilfsbereitschaft die Sage ein. Lassen Sie sich erzählen!
Am Janiculus wohnte in seinem Häuschen mit etwas Feld ringsum Herr Lucius Quinctius Cincinnatus. Im Jahre 460 war er Konsul gewesen, jetzt galt sein Ehrgeiz nur noch der in Rom immer sehr hoch gehaltenen Mutter Erde. Man schrieb das Jahr 458, es war Frühling und Cincinnatus pflügte gerade — das wird betont — eigenhändig seinen Schrebergarten, da sprengte ein Bote heran und rief den schweißbedeckten wackeren Mann in die Volksversammlung, die er offenbar ganz übersehen hatte. Dort hörte er die Schreckensnachricht, daß römische Truppen, die zur Sicherung ausgezogen waren, von den Aeguern umzingelt seien und dem Untergang entgegensähen. Und noch eine weitere Nachricht erwartete ihn, die nun nicht so sehr ihn als vielmehr uns verwundert: Cincinnatus wurde zum Diktator berufen! Bitte, kreiden Sie es nicht mir an, das ist geschichtlich.
Es ist nicht nur geschichtlich, es ist auch ein harter Brocken. Hier sehen Sie, wie primitiv die Römer doch noch waren, die in ihre Verfassung die Berufung eines Diktators für ein halbes Jahr in Notzeiten aufgenommen hatten in dem Glauben, ein einziger Mann ihres Vertrauens sei besser als die Quersumme aus zwei weniger Gescheiten. Die Quittung hat Rom ja auch bekommen, es ist untergegangen.
Im Moment allerdings noch nicht. Cincinnatus besiegte die Aeguer, befreite die eingeschlossenen Truppen und rettete Rom. Nachdem er das auf eine Weise, die uns leider nicht berichtet wird, getan hatte, kehrte er zu seinem Pflug zurück. 439, also neunzehn Jahre später, wurde er noch einmal Diktator, um, ausgerechnet als Diktator, einen antidemokratischen Staatsstreich zu verhindern. Er tat es, nahm dann seinen kleinen flachen Filzhut und ging abermals nach Hause. Bis ins späte Rom wurde er als Muster altrömischer virtus gefeiert.
Bei dieser Gelegenheit wollen wir gleich noch einen anderen, viel erstaunlicheren Fall erledigen. Als die Römer wieder einmal in ihrem Frieden aufgeschreckt sich ihrer Haut wehren mußten, kam es am Regillus-See beim heutigen Frascati zu einem schweren Kampf. Es stand lange auf des Messers Schneide, ja, der Sieg neigte sich schon den Feinden zu.
Das sind so die rechten Augenblicke zum Auftritt von Helden. Wo sie vorher waren, bleibt zumeist ungeklärt. So auch hier. »Es erschienen« plötzlich zwei junge römische Krieger namens Castor und Pollux, alte Freunde noch von der Schulbank her, warfen sich in die
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