Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
Vom Netzwerk:
zum Kopfschütteln, lebenslustig, angeblich witzig, obwohl ich wissen möchte, wie ein Etrusker oder Römer noch so viel Sinn aufbrachte, das zu bemerken. Nun, vielleicht kannte man sie noch aus der Zeit, als sie ruhig jenseits des Apennin saßen. Sie zeigten sich auch in der Kleidung als lustige Leute, sie trugen Pluderhosen, weite Mäntel mit Kapuzen und im Kriege gehörnte Helme. Schnurrbärte, kolossal wie Roßschweife, galten als vornehm.
    Sie besaßen weder genug Menschenmiaterial noch genug Kultur oder politischen Zusammenhang, um mit der Eroberung irgendetwas anfangen zu können. Sie zogen nur weiter, weil es so einfach ging. Ihr Fürst und Führer war Brennus, ein Mann, den offenbar nichts nach Hause trieb.
    Sie näherten sich Latium. Die Römer gerieten in höchste Besorgnis. Es gab eine Alternative: Rom befestigen oder eine Feldschlacht wagen. Man entschied sich für die Schlacht.
    An der Allia, einem Nebenrinnsal des Tiber, stießen die Heere im Juli 387 aufeinander. Die Schlacht war kurz, sie endete mit der Niederlage der Römer. Nicht nur mit der Niederlage: mit der völligen Auflösung und kopflosen Flucht.
    Die Römer haben auch später diesen Schock nie überwunden. Was aus dem Norden kam und blond war, blieb ihr Trauma. Auch heute noch wurzelt darin die Haßliebe der Italiener, oder sagen wir milder: ihre bewundernde Abneigung.
    Die Katastrophe an der Allia muß komplett gewesen sein. Auf die Schreckensnachricht hin flüchteten Frauen, Greise und Kinder in die Wälder und Berge, die Männer in die Burg des Kapitols. Brennus fand eine offene Stadt vor, er ließ sie plündern und niederbrennen.
    Nur an die Burg kam er nicht heran. Der Capitolinus war zwar nicht hoch, aber er brauchte nur nach Westen hin verteidigt zu werden, steile Wände bildeten die anderen Flanken. Die Kelten waren unerfahrene Belagerer. Sie werden Sturmangriffe versucht, sie werden probiert haben, im Dunkel der Nacht die Wände zu ersteigen. Erinnern Sie sich an die Sage von den »Gänsen des Kapitols«? Die Tempeltiere der Juno witterten den Feind und warnten durch ihr Geschnatter die Wachen. Vielleicht ist es mehr als eine Sage.
    Brennus war- zum Unterhandeln bereit. Er verlangte für sein Verschwinden eine enorme Summe. Als man an Gold und Silber, was das Kapitol barg, zusammentrug und wog, warf er auch noch sein Schwert auf die Waagschale und verlangte es aufgewogen. Was die Römer daraufhin schrien, ist der Welt verloren gegangen. Was Brennus antwortete, wurde ein geflügeltes Wort. Er rief »Vae victis«! Und das, obwohl er kein Latein konnte! Unter diesen Umständen formal und inhaltlich eine beachtliche Leistung.
    Diese Lebensweisheit zurücklassend und das Gold mitnehmend zog Brennus ab. Die Römer wählten den inzwischen alten Furius Camillus, den Veji-Eroberer, zum fünften Male zum Diktator und ließen ihn Latium von den Resten der Kelten säubern. Das tat er. Anschließend wäre er sicher gern zu dem sprichwörtlichen Pflug zurückgekehrt, aber leider gab es ihn nicht mehr. Rom lag in Schutt und Asche. Einzig das Kapitol blickte unversehrt auf die Ruinen herab. Rom stand wieder vor dem Nullpunkt.

DAS DRITTE KAPITEL

ist absolut kriegsfrei. Die Römer sind vollauf damit beschäftigt, ihre zerstörte Stadt neu aufzubauen. Ein erster Rundgang zeigt, was fünfzigtausend Steuerzahler auf die Beine stellen können , wenn die Generäle mal eine Weile still sind.

    Nach einem Schicksalsschlag von solchen Ausmaßen scheiden sich stets die Geister. Die einen siechen dahin, die anderen wachsen. Es gab auch in Rom viele, die die Stadt so liegen lassen wollten, wie sie lag. Sie schlugen vor, in eines der Dornröschen-Dörfer der Etrusker zu ziehen und als Hippies zu enden.
    Daß sie es doch nicht taten, sondern Rom an der alten Stelle wieder aufbauten, war eine Sternstunde des Abendlandes. Wie alle Sternstunden war sie im Kalender nicht rot angestrichen. Die Römer fluchten lediglich und sahen sie nicht anders an als wir das Jahr 1945. (Sie besaßen einen Vorteil: sie hatten keine Befreier.) Und so, wie wir es damals inmitten der Trümmer taten, drehten auch sie die Sanduhren auf Null zurück.
    Jedermann schien nun wieder gleich zu sein. Das Haus des Schusters war genau so kaputt wie das Haus derer von Claudius. Das Kornfeld des kleinen Hörigen war genau so zertrampelt und ruiniert wie das der Cincinnatus oder der Camillus! Das ist stets ein Trost. Ich weiß nicht, warum; die menschliche Natur ist so. Der Einbeinige wünscht

Weitere Kostenlose Bücher