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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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fruchtbar machen konnten) ereignete sich ein Zwischenfall, der dem Geflüster neue Nahrung gab. Antonius, amtierender Konsul, wie immer überschwenglich und sich als Sprecher des Volkes fühlend, trat plötzlich auf Caesar zu, um ihm das Königsdiadem aufs Haupt zu setzen.
    Die Volksmenge erstarrte.
    Caesar, dem man keine Regung anmerkte, schob die Hand beiseite; Antonius versuchte es noch einmal, Caesar stieß den Stirnreif heftig zurück, eine weithin sichtbare Geste. Das Volk erwachte aus der Erstarrung und brach in lauten Jubel aus. Der Diktator hatte die Königskrone ausgeschlagen!
    Hatte er den Plan Marc Antons gekannt? Hatte er die Szene gewollt? War sie als Frage an das Volk gedacht gewesen? Die Verschwörer waren überzeugt davon. Die Vorstellung, es könne dies die »Generalprobe« gewesen sein, brachte sie in fieberhafte Erregung. Sie wagten es sogar, Antonius zu stellen und ihn offen in ihre Umsturzpläne einzuweihen. Antonius war zunächst einmal nichts als verblüfft, wen er da vor sich sah: Marcus Brutus und Cassius, den Präfekten!
    Während er sich noch von seiner Überraschung erholte, rollte Cassius alle Pläne vor ihm auf. Aber je länger er redete, desto geistesabwesender wurde Antonius. In welche Situation geriet er da! Was wollten sie eigentlich? Sollte er da mitmachen? Das sei ferne von ihm! Nein, Freund Brutus, nein, Freund Cassius! Er schüttelte traurig den Kopf.
    Und dann ging der brave Mann zum Mittagessen. Wenn das schon erstaunlich ist, so ist noch viel erstaunlicher, daß auch Brutus und Cassius heimmarschierten. Alle Berichte stimmen darin überein, daß die Flammen schon aus dem Dach schlugen und weithin sichtbar waren, und daß dennoch alle Beteiligten sich in unwirklicher Luft bewegten.
    Diese Atmosphäre des Unernsten ging zweifellos von Caesar aus. Just jetzt entließ er seine Leibwache. Er trug nun auch beständig die Purpurtoga des Triumphators, die ihn wie die rote Muleta des Torero für den Stier weithin sichtbar machte.
    Er schien sich nur für den Partherfeldzug zu interessieren. Aber er war mit dem Herzen nicht dabei, er fühlte sich krank und einsam. Es war nicht die Isolierung des Tyrannen — er ging unbesorgt und völlig ungeschützt unter die Menschen, er schien gerade jetzt besonders liebenswürdig und duldsam — es war die Einsamkeit, die die Resignation begleitet. Natürlich wird er sich jemand eröffnet haben, wahrscheinlich Calpurnia, seiner Frau, aber er wird wohl nicht imstande gewesen sein, ihr den circulus vitiosus seiner Gedanken klarzumachen. Was wollte Brutus, was wollte Cassius? Warum erbitterte sie, daß überall seine Büste stand? Warum? Können Menschen wie sie das nicht ertragen? Warum erbitterte sie, daß er lebenslänglicher Diktator war? Warum hätten sie es leichter ertragen, wenn er jedes Jahr aufs neue berufen worden wäre? Weil die Verewigung der Diktatur die Tyrannis bedeutet und nicht mehr ein Amt? Worte! Worte! Was sind Ideen und Prinzipien gegen Fakten! Blühte nicht Rom? In Wohlstand und Frieden? Und was ist das für ein Wahn: Volksherrschaft? Ist sie heilig? Gilt für sie nicht, was für alles in der Welt gilt: das Metermaß von gut und schlecht? Hatte Brutus die Tage des Cinna und Clodius, der »Volksfreunde«, vergessen? Erinnerte sich Cassius nicht an die tausend Beispiele in der Geschichte? Erinnerte er sich nicht, daß es das Athener Volk war, das seinen großen Sohn Sokrates zum Tod verurteilte? Ein halbes Tausend Bürger saßen zu Gericht — »Volk«. Keiner der geistig führenden Männer Athens hätte so ein Urteil gefällt, keiner wäre so intolerant, keiner so kurzsichtig, keiner so von Leidenschaften verhetzt gewesen. Jedoch es ging Quantität vor Qualität.
    Dieser unselige Traum der Plebs.
    Er wollte nicht darüber nachdenken. Alea jacta esto. Vor der Senatssitzung vom 15. März erkrankte er leicht und beabsichtigte, ihr fernzubleiben. Aber auf Drängen entschloß er sich zu gehen. Er ging zu Fuß. Unterwegs steckte man ihm noch einmal eine dringende Warnung zu — er ließ sie unbeachtet.
    Im Senat herrschte verräterische Nervosität. Die Verschwörer beeilten sich, das Eisen noch glühend zu schmieden, und legten Caesar eine Fangfrage vor. Er fällte, wie erwartet, eine unpopuläre Entscheidung. Man bat. Er lehnte ab. In diesem Augenblick sprangen die Verschwörer vor und zogen die Dolche. Casca stieß als erster zu. Caesar schlug ihm die Hand weg. Vielleicht glaubte er, damit das Attentat überstanden zu haben, die

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