Cäsar läßt grüssen
fliegender Hast. Was ihn trieb, war die Chance, mit dem Mord an Pompeius als Aufhänger, in die ägyptischen Thronstreitigkeiten einzugreifen und damit Rom auch am Nil zur höchsten Instanz zu machen.
Die Situation dort war folgende: Der verstorbene Pharao hatte drei Kinder hinterlassen, eine Tochter Kleopatra und zwei jüngere Brüder. Traditionsgemäß heiratete der ältere der beiden seine Schwester und übernahm, zusammen mit ihr, die Herrschaft. Dieser Ptolemäus XIV. war kein Dummkopf und hatte sich bisher die Römer ganz geschickt vom Halse gehalten. Um einen Grad geschickter war Kleopatra, die nach der Ermordung des Pompeius, so gelegen sie ihr gekommen war, sofort von ihrem Bruder und Gemahl abrückte. Sie ahnte, daß Caesar auftauchen würde, und baute vor.
Caesar kam. Er wurde in Alexandria mit höchsten Ehren empfangen. Alexandria müssen wir uns in der Rolle eines Paris in superlativem Glanz vorstellen, dekadent, zynisch, übervölkert, verschwenderisch, lüstern, ohrenbetäubend, augenbetäubend, im Trance entnervender Bacchanale und traumhafter Nilfeste, aber auch hochintellektuell und hochliterarisch. Es besaß die größte Bibliothek der antiken Welt.
Caesar war anfangs nicht schlecht verwirrt. Dazu trug Kleopatra noch bei, die eine sehr betörende Frau gewesen sein muß: nicht schön, aber aufreizend wie eine Lola Montez, amüsant wie eine George Sand und umweht von dem Schlafgeruch einer Halbwüchsigen. Sie war damals etwa einundzwanzig Jahre alt. Sie besann sich keine Sekunde, sich Caesar hinzugeben und ihn glauben zu lassen, daß er unwiderstehlich sei. Auch Caesar besann sich keine Sekunde, Kleopatra zu nehmen und sie glauben zu lassen, daß sie unwiderstehlich sei. Kleopatra wunderte sich daher nicht, daß Caesar am nächsten Morgen Ptolemäus XIV. für abgesetzt und Kleopatra zur alleinigen Königin erklärte. Caesar freute das. Andere etwas Falsches glauben zu lassen, war schon immer seine Stärke.
Aber das ägyptische Heer erhob sich gegen ihn und schloß ihn im Palast von Alexandria ein. Seine kleine Mannschaft lag am Hafen, der Nachschub seiner Truppen war noch nicht da. In diesem Augenblick befand sich Caesar in höchster Lebensgefahr. Der Herr des Imperiums im Kleiderschrank des fremden Schlafzimmers — die Lage ist so läppisch, daß man sie nicht glauben möchte!
Mir persönlich gefällt sie wunderbar. Sie wirkt so versöhnlich zwischen lauter Stahl und Eisen; sie ist wie die ausgleichende Gerechtigkeit für unser Schwitzen in der Geschichtsstunde.
Und jetzt muß ich Ihnen ein Geständnis machen: Ich weiß wirklich nicht mehr genau, wie sich die Sache damals abgespielt hat. Seit ich Bernard Shaw’s »Cäsar und Kleopatra« gelesen habe, bin ich immun gegen die Wahrheit. Selbstverständlich lügt Shaw wie gedruckt, ich glaube ihm kein Wort; dennoch kann ich Caesar in Ägypten nicht mehr anders sehen, als von Kleopatra sorgfältig in einen Teppich gerollt und von zwei Dienstmännern ins Freie befördert, wie Shaw es von Kleopatra berichtet. Ich sehe es vor mir, wie man ihn unter einer Laterne am Kai inmitten seiner Offiziere herauswickelt, wie Caesar aufsteht, sich den Rock abklopft und nach Trinkgeld sucht. »Lassen Sie nur, das erledige ich schon«, winkt ein Oberleutnant ab. Und dann richtet sich Caesar auf und sagt: »Na, dann wollen wir mal!«
Zunächst zündeten sie die den Hafen blockierenden Schiffe an, was bekanntlich gewisse Schwierigkeiten bereitet. Dennoch ist es historisch. Dann landeten die Nachschubtruppen, dann folgte die obligate Schlacht, dann siegte Caesar, dann ertrank Ptolemäus im Nil, und dann finden wir Caesar wieder im Schlafzimmer Kleopatras.
Er blieb neun Monate. Es wurde ein Sohn, und Kleopatra nannte ihn Caesarion. Es ist nicht ganz klar, ob es Caesars Kind war; ich tippe auf nein. Caesar tat es auch.
Im Frühling 47 riß ihn eine alarmierende Nachricht aus seinem Kur-Aufenthalt: In Kleinasien hatte der Sohn des alten Römerhassers Mithridates mobil gemacht, war in die Provinz Asia eingefallen und hatte den römischen Statthalter geschlagen.
Caesar fand von einer Sekunde auf die andere in die rauhe Wirklichkeit zurück, ließ die Sachen packen und traf nach wenigen Tagen in Kleinasien ein. Er gab sich gar nicht erst mit dem Statthalter ab, sondern stieß mit seinem (winzigen) Heer sofort in das Herz des Mithridatischen Reiches zum Pontus durch. Bei Zela wurde er von der Hauptmacht des Feindes gestellt. Der Kampf dauerte fünf Tage und wurde nur
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