Cäsar läßt grüssen
Wirkung auf das Volk wäre unbezahlbar gewesen. Aber er irrte sich, im nächsten Moment schon zuckten die Dolche von allen Seiten auf ihn nieder — tu quoque Brutus! Als er sah, daß er verloren war, verhüllte er das Haupt mit der Purpurtoga und ließ sich ermorden.
15. März 44 v. Chr.
IM ZWÖLFTEN KAPITEL
probiert ein Neunzehnjähriger das gescheiterte Experiment Caesars noch einmal: sein Adoptivsohn Octavian, ein harmlos aussehender kränklicher Bläßling von der Gefährlichkeit einer Klapperschlange.
Notieren wir.
Die Zahl der Verschwörer betrug etwa sechzig. Das Volk hatte daran keinen Anteil.
Die Zahl der Dolchstiche betrug dreiundzwanzig. Sie saßen auch im Genick und im Rücken.
Zwei Senatoren hatten — vergeblich — versucht, Caesar beizuspringen; Antonius war nicht darunter. Testamentseröffnung durch Antonius als Konsul. Caesar schenkte seine Gärten als öffentliche Parks dem Volke und vermachte jedem einzelnen der römischen Plebs eine Geldsumme von dreihundert Sesterzen. (1 Sesterze = ¼ Denar = ca. 1,50 DM an Kaufkraft.)
Den Rest des großen Vermögens erbte Octavian.
Ein politischer Nachfolger war nicht genannt.
Das Testament hatte sich in der Hand Calpurnias befunden, die es zusammen mit allen noch nicht veröffentlichten Verfügungen und dem ganzen Archiv des Privatbüros nicht Octavian, sondern Antonius übergab.
*
Nach dem Mord waren die Senatoren kopflos auseinandergestoben. Die Leiche lag verlassen unter dem — Ironie des Schicksals — Pompeiusstandbild, das Caesar seinem Freundfeind errichtet hatte.
Sklaven schleppten den noch blutenden Leichnam durch die Straßen zu seinem Haus.
Von den Verschwörern war nichts zu sehen. Erst viele Stunden später tauchte hier und da einer in den Plebejer-Vierteln auf, um die Stimmung zu erkunden, zog sich jedoch schnell wieder zurück. Viele ließen ihre Häuser durch gemietete Gladiatoren bewachen.
In einem deutschen Lehrbuch steht der Satz: »Caesars Feinde hatten deutlich gefühlt, daß alle Taten des großen Mannes nicht über eines hinwegtäuschen konnten: den völligen Verlust der Freiheit.«
Das Wort »Freiheit« hätte nun eigentlich durch die Stadt fliegen müssen, aber es flog nicht.
Das Volk begriff die Tat nicht. Denn was ist »Freiheit«?
Freiheit ist die körperliche und moralische Selbstbestimmung im Rahmen einer von der Schicksalsgemeinschaft gutgeheißenen Verfassung. Das Volk von Rom war nicht der Meinung, diese Freiheit nicht besessen zu haben; jetzt fürchtete es sich von dem Verlust der Ordnung.
Der Senat ließ sich zunächst nicht mehr zusammentrommeln, die Regierung war lahmgelegt.
Erst langsam wurden die Verschwörer — immer noch mit gepacktem Koffer — kühner. Es bildeten sich Propagandatrupps, die das Volk zum Hurrah aufrütteln sollten. Der Erfolg war mager.
Als der Tag des Leichenbegängnisses kam, wußte weder die eine noch die andere Seite, wie es um die Stimmung stand.
Der Tote war auf dem Forum aufgebahrt, ganz Rom auf den Beinen.
Am unsichersten fühlte sich Antonius. Als Konsul (jetzt einziger Konsul) hatte er die Totenrede zu halten. Mit sportlichem Schwung bestieg er die Rednertribüne, elegant, schnittig, auf schön getrimmt und mit der damaligen Rarität eines kurzen Vollbarts verziert.
Er begann seine Rede behutsam, tastete sich langsam vor, sah, daß das Volk die ersten verfänglichen Formulierungen (pro Caesar) schluckte und entschloß sich, va banque zu spielen. Er riß das Steuer herum, geriet selbst in Feuer, las das Testament vor und mündete in eine Hymne auf den Toten ein. Die Plebs, wie erlöst aus allen Zweifeln, brach in Jubel aus. Und als der Holzstoß, auf dem der tote »Tyrann« lag, entzündet wurde, sprengten die Menschen die Absperrung, rissen Brände heraus und stürmten los, um die Häuser der Mörder anzustecken. In heller Panik flohen die Verschwörer und verbargen sich. Antonius hatte Mühe, den Aufruhr zu bändigen.
Als sich Wochen später die Gemüter beruhigt hatten, brachte Cicero als erste neue Handlung des Senats zwei Beschlüsse durch, die das klügste waren, was man im Moment machen konnte: die Amnestie der Verschwörer und die Bestätigung aller Gesetze und Pläne Caesars. Dafür also war Caesar gestorben. Oh Caesar, lach doch noch einmal!
Die Begnadigung der Attentäter war ein geschickter Schachzug. Die Verschwörer wurden damit als Mörder, die der Begnadigung bedurften, festgenagelt, aber als Märtyrer verhindert. Sie wurden aus Rom verbannt und
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