Cäsar läßt grüssen
gingen — natürlich frei und an nichts notleidend — in die Provinzen. Wo die Heere standen. Doch daran dachte im Moment niemand.
Eine ganze Reihe von Leuten sah nun ihren Weizen blühen. Es ging ganz offen um die Nachfolge Caesars, eine recht seltsame Anschauung all dieser Herren, die soeben erst mitgeholfen hatten, sich des Machthabers zu entledigen.
Da gab es also Marcus Antonius, den Mann, der das Steuer herumgerissen und dem Volke klargemacht hatte, daß ein Diktator gut ist, wenn er gut ist. Antonius fühlte sich aus mehreren Gründen stark: Er galt als der Vertraute Caesars und sein Treuhänder. Er war, nachdem man ihm einen unbedeutenden Mann als zweiten Konsul zur Seite gegeben hatte, praktisch consul sine collega. (Sueton behauptet, er sei völlig größenwahnsinnig mit einem Löwengespann durch die Straßen gefahren.) Und er war im Besitz der caesarischen Akten und Handnotizen, das heißt, es lag bei ihm, was er herausholte und als Caesars Willen zum Gesetz erklären lassen wollte. Er konnte auch Fälschungen unterschieben und hat es vielleicht sogar getan. Er war kein schlechter Charakter und ganz gewiß kein echter Bösewicht, aber er war leichtfertig — im übrigen nicht zu vergleichen mit Pompeius. Es ist also falsch, später eine Parallele Pompeius—Caesar und Antonius—Octavian zu sehen. Auch die finanzielle Lage sah anders aus: Pompeius war als Feldherr und Eroberer, wie üblich, reich geworden, Antonius war nie Oberbefehlshaber gewesen. Er steckte im Gegenteil bis über die Ohren in Schulden. Als ihm Calpurnia das Erbe zu treuen Händen übergab, dachte er gar nicht daran, Octavian an das Geld heranzulassen. Er stellte sich taub und bezahlte vor allem einmal seine eigenen Gläubiger. Dies alles erfuhr das Volk erst, als Octavian es ausposaunte.
Octavian, der im März 44 als Vorkommando Caesars bei den Truppen in Apollonia geweilt und sich dort amüsiert hatte, war in gestrecktem Galopp nach Rom zurückgekommen, denn ihm schwante Böses. Das eine, was ihm geschwant hatte, war zum Glück inzwischen schon in Ordnung gebracht, nämlich die Glorifizierung Caesars. Das andere traf prompt ein: Er bekam sein Erbe nicht ausbezahlt. Dieser Schlag ist es wahrscheinlich gewesen, der den neunzehnjährigen Jungen erwachen ließ. Er, der sich bisher im Vertrauen auf seinen allmächtigen Adoptivvater um nichts gekümmert hatte, sah sich plötzlich vor die Alternative gestellt, zu kämpfen oder als Namenloser ins Nichts zurückzufallen. Er wählte das Kämpfen, übrigens gegen den Rat seiner Verwandten, die ihn für untauglich hielten. Er hatte keine Ahnung, in was er sich da einließ.
Mit der Kühnheit des Ignoranten bekannte er sich zunächst einmal als Sohn Caesars, des »Tyrannen«, dem er so ganz und gar nicht glich. Dabei zeigte sich, daß der Junge doch gerissener war, als man vermutet hatte. (Er war viel gerissener als Caesar!) Je mehr Antonius gezwungen war, seine eigene Stellung durch die Glorifizierung Caesars und die Verurteilung der Attentäter zu untermauern, desto mehr profitierte Octavian. Schließlich war er und nicht Antonius der Erbe. Er war es, der den Bürgern das Vermächtnis auszahlen wollte. Und als er auf den Schachzug verfiel, die Güter und Häuser Caesars, die sich Antonius beim besten Willen nicht hatte in die Tasche stecken können, zu verauktionieren, um das Geld für das Volk aufzubringen, da gehörte ihm das Herz der Plebs. Antonius war plötzlich in einer sehr schiefen Lage.
Noch ein dritter Mann existierte, mit dem zu rechnen war: Cicero, zweiundsechzig Jahre alt, der untadelige, langweilige, ehrgeizige Aristides der Römer, einstiger Advokat, glänzender Redner, erfolgreicher Schriftsteller, Exkonsul, Exstatthalter, Entdecker der Catilinischen Verschwörung, mehrfach in Ungnade, zum Schluß immer wacker auf der Seite des Siegers, erst Pompeius’, dann Caesars, jetzt Antonius’, bald Octavians. Er war nicht der Typ des Einzelgängers, er hätte gern mit dem Senat als Instrument geherrscht. Er besaß ein gerüttelt Maß nutzloser Erfahrung und war klarsehend wie ein Professor, das heißt, auf einem Auge blind.
Im Oktober 44 verließ Octavian Rom, angeblich, weil er für sein Leben fürchtete. Vielleicht stimmt es. Jedenfalls tat er etwas Unglaubliches: Er warb unter den Veteranen Caesars auf eigene Kosten ein Privatheer an! Er zahlte generös; er zahlte so gut, daß sogar Einheiten der regulären Truppe zu ihm übergingen. Dabei stellte sich heraus, daß der Name
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