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Cäsar

Cäsar

Titel: Cäsar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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wartete. Fünfzig Atemzüge. Sechzig. Er stellte sich vor, wie der Mann durch die Eingangshalle schritt, durchs Atrium, in den Speisesaal, in dem der Edle wahrscheinlich mit Geschäftsfreunden zu Tisch lag. Oder vielleicht ins Bad, wo er sich nach langem Reden mit seinen Klienten erfrischte.
    Als er eben begann, sich eine Bibliothek jenseits des Speisesaals vorzustellen, kam der Diener zurück. Immer noch wortlos öffnete er das Tor, winkte ihn herein, schloß hinter ihm wieder ab und führte ihn nicht zum Eingang, sondern durch den Garten rechts vom Haus. In einer überwucherten Laube drängten sich Sklaven, vielleicht ein Dutzend; neben der Laube standen drei schlichte Sänften. ›Sicher nicht die des Hausherrn‹, sagte sich Aurelius; diese würden in einem wetterfesten Schuppen untergebracht sein. Gäste, vermutlich drei, oder einige mehr, wenn diese zu Fuß gekommen waren, in der Nähe wohnten oder ihre Träger fortgeschickt hatten.
    Hinter dem Haus führte der Diener ihn zu einer Gruppe steinerner Bänke, die um einen mit Skulpturen verzierten Brunnen standen.
    »Warte hier; der Edle wird gleich kommen.« Blick und Stimme waren nicht mehr so abweisend wie zuvor.
    Aurelius ließ sich auf eine der Bänke sinken. Der Stein war kalt, dem bedeckten Wetter und der Jahreszeit entsprechend, aber es tat einfach gut, sich zu setzen und das schmerzende Bein zu entlasten.
    An der Rückseite des Hauses wurde ein schwerer Ledervorhang beiseite geschoben; ein Mann in langer Tunika aus feinstem teuren Leinen kam die vier Stufen herab und blieb vor Aurelius stehen.
    »Steh auf und sag, was du willst.« Die Stimme war hart und herrisch, das Gesicht kantig.
    Aurelius schaute zu ihm auf. »Um Vergebung, Herr«, sagte er, »der Weg hierher war lang, und die Wunden des Kriegs schmerzen.«
    Gorgonius bewegte die Hand, als wollte er etwas wegwischen. »Dann bleib eben sitzen. Was ist das für ein Unsinn - Grüße eines toten Dichters?«
    »Er ist nicht tot.« Aurelius schob die Hand unter den Umhang und zog die erste der beiden versiegelten Rollen heraus.
    »Er bat mich, dir das hier zu geben.«
    Gorgonius nahm sie, brach das Siegel, entrollte den Papyrus und las. Dabei zeigte sein Gesicht keine Regung.
    »Er lebt also tatsächlich und will nicht gesehen werden«, sagte er schließlich. »Nun gut. Und was sollst du mir von ihm geben?«
    »Dies hier.« Aurelius zog die zweite Rolle hervor. Gorgonius öffnete sie, warf einen Blick auf das erste der zehn Schriftstücke, dann nickte er. »Weißt du, was du mir da gibst?«
    »Ich weiß es, Herr.« Aurelius machte eine winzige Pause.
    »Die Schreiber der Quästoren wissen es auch.«
    »Ah.« Gorgonius runzelte die Stirn. »Laß mich überlegen. Es ist nicht so einfach, so schnell…«
    Aurelius schwieg und wartete.
     
    Der Dichter, der nicht mehr gesehen werden wollte, hatte ihn mit dieser heiklen Aufgabe betraut und vor möglichen Ausreden und Umwegen gewarnt. Der Ritter Gorgonius gehörte einer Vereinigung von publicani an, Steuerpächtern, die die Abgaben einer Provinz, vom Senat auf Grund von Zensurlisten verfügt, an die Staatskasse zahlten und das Geld dann in der betreffenden Provinz eintrieben. Wobei die Summen sich zuweilen verdreifachten.
    »Oder noch mehr. Vielleicht hast du von Verres gehört? Nein? Er hat Sizilien ausgepreßt und wurde von Cicero deshalb angeklagt. Ich erinnere mich nicht an die Einzelheiten, aber ich glaube, Verres hat über die Hälfte seiner Einnahmen für Bestechungen ausgegeben. Richter und Beamte bestochen, damit sie ihm nicht die Geschäfte verderben. Vom Rest, der nach den Bestechungen übrigblieb, hat er seine Helfer bezahlt und die Steuern entrichtet und außerdem noch ein gewaltiges Vermögen aufgetürmt. Das hier« - im Zwielicht der Schänke wedelte er mit den zehn Papyri - »sind Anteilscheine. Zehnmal einhundert Denare. Die Steuerpächter haben, jedenfalls am Anfang, natürlich nicht genug Geld, um, sagen wir, zwanzig Millionen Denare ans Aerarium zu zahlen; also tun sie sich zusammen, kaufen die Steuern einer Provinz und teilen hinterher die Einnahmen. Den Gewinn. Die Anteile werden gehandelt, und ihr Wert hängt von vielen verschiedenen Ein- flüssen ab. Räuber, Seeräuber, Mißernten, Aufstände, so etwas senkt das Zahlungsvermögen einer Provinz, und dann sinkt auch der Wert der Anteile, verstehst du? Außerdem kommt es natürlich vor, daß ein publicanus plötzlich Geld braucht und Anteile verkaufen will. Das war bei Gorgonius der

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