Cäsars Druide
Adligen, denen die Niederlage des keltischen Widersachers in den eigenen Reihen wichtiger war als der Sieg des ganzen Volkes. Jeder kämpfte gegen jeden. Gegen diese bestens organisierte Militärmaschine von durchtrainierten Berufssoldaten, die dank hervorragender Planung und Versorgung über Jahre permanent Krieg führen konnten, hatten wir keltischen Saisonniers nicht die geringste Chance. Hatten die Helvetier drei Jahre gebraucht, um den Auszug an den Atlanticus vorzubereiten, genügten Cäsar bereits wenige Wochen, um die Versorgung seiner rasch anrückenden Legionäre sicherzustellen. Und in jedem keltischen Stamm würde Cäsar einen willigen Adligen finden, der ihn bereitwillig unterstützte, wenn Cäsar ihm nur seine Legionen lieh, damit er seinem Bruder, Rivalen oder Nachbarn eins auswischen konnte.
»Was willst du also tun, Herr?« fragte Wanda, nachdem sie sich meine ausführlichen Überlegungen angehört hatte.
»Frag lieber die Götter«, gab ich ratlos zurück.
»Deshalb frag ich dich ja. Die Götter wohnen doch in dir.«
Wanda hatte so eine trockene Art, Gehörtes ad absurdum zu führen. Sie machte sich selten über etwas lustig. Nein, sie nahm es ernst und führte es ad absurdum.
»Jaja«, sagte ich, »die Götter wohnen in mir, aber sie gönnen sich gerade eine Pause.«
»Ich denke nicht, daß sich die römischen Spähtrupps auch eine Pause gönnen werden. Ich bin überzeugt, daß es hier nur so von Römern wimmelt.«
»Wir reiten zu Cäsar«, sagte ich. »Ich halte die Antwort von Diviciatus in Händen und reite damit zu Cäsar.«
»Sie werden dich ans Kreuz schlagen!«
»Wieso?« gab ich scheinheilig zurück. »Meinst du im Ernst, ich würde zu Cäsar zurückreiten, wenn ich auch nur das geringste mit diesem bedauerlichen Zwischenfall auf dem Rastplatz zu tun hätte? Daß ich Diviciatus' Antwort zurückbringe, beweist doch nur meine Treue.«
»Das leuchtet allerdings ein«, schmunzelte Wanda. »Mir scheint, die Götter in dir sind wieder aufgewacht.«
Wir ritten also weiter, Richtung Süden.
Als wir nach einigen Tagen an den Arar gelangten, sahen wir, daß auch die Helvetier mittlerweile die Gegend erreicht hatten. Mit all ihren Karren und Ochsen kamen sie nur langsam voran. Der beschwerliche Umweg hatte große Opfer gekostet; viele zertrümmerte Wagen und zerfetzte Lasttiere waren in den Schluchten zurückgeblieben, die sie endlich hinter sich gelassen hatten. Da die Dämmerung anbrach, befahlen die Adligen das Überqueren des Flusses einzustellen und hier ein Lager aufzuschlagen. Drei Viertel der Helvetier waren bereits am anderen Ufer des Arar. Diesseits des Ufers waren nur noch Tiguriner, rund achtzehntausend Männer, Frauen, Kinder und Alte. Sie wollten morgen früh mit Flößen und zusammengebundenen Kähnen übersetzen. Trotz der Verzögerung in Genava und dem anstrengenden Umweg waren die Tiguriner frohen Mutes. Da sie sich Cäsars Verbot, die römische Provinz zu durchqueren, gefügt hatten, mußten sie nicht mehr mit weiteren Schwierigkeiten rechnen. Geschweige denn mit Krieg. Wie wir im Lager erfuhren, hatten die Helvetier mit den Sequanern und Häduern tatsächlich Geiseln für die Dauer ihres Durchzuges ausgetauscht. Es verstand sich von selbst, daß kein Helvetier das Leben einer helvetischen Geisel gefährden würde, indem er plünderte, irgendwelche Güter verwüstete oder sich in einer anderen Art rüde verhielt. Aber es ist wohl jedem klar, daß eine Völkerwanderung andere Spuren hinterläßt als eine Horde Wildschweine. Ich erkundigte mich nach Divico, Nammejus und Verucloetius, doch sie waren alle bereits am anderen Ufer. Die Tiguriner richteten sich für die Nacht ein. Es wurden praktisch keine Wachen aufgestellt. Weit und breit war keine römische Legion, und man wollte ja bereits in den frühen Morgenstunden über den Fluß setzen. Doch während der vierten Nachtwache, es wurde bereits hell, hörte ich plötzlich vereinzelte laute Rufe. Ich richtete mich auf und horchte. Ich überlegte gerade, ob sich ein paar Betrunkene in die Haare geraten waren, als ich plötzlich, ganz leise, das metallische Scheuern von Kettenhemden hörte, zuerst nur schwach, mal hier, mal dort, doch plötzlich fügten sich die einzelnen Geräusche zu einer mächtigen Klangmauer zusammen, die unaufhörlich auf uns zumarschierte.
»Wanda!« schrie ich. »Die Legionen kommen! Hol die Pferde!«
Wanda sprang sofort hoch und eilte zu den Pferden. Das Lager war jetzt hellwach. Flöße wurden
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