Cäsars Druide
Ähnlich wie beim Oppidum der Tiguriner waren auch hier die Handwerksbetriebe von den Wohnvierteln getrennt. Im Handwerkerviertel hatte man zudem die feuergefährlichen Betriebe an den äußersten Rand verlegt. Die Torwache ließ uns sofort zu Diviciatus bringen. Sein Langhaus lag am Rande des Wohnviertels. Gegenüber befanden sich bereits die Werkstätten der Emailleure und Metallstecher. Auffallend waren die zahlreichen römischen Händler, die sich im Oppidum aufhielten. Einen von ihnen hatte ich bereits in Genava kennengelernt. Es war der römische Ritter Ventidius Bassus, der sich auf den Verkauf von Karren und Getreidemühlen spezialisiert hatte. Er verhandelte gerade mit einer Gruppe von Häduern über den Verkauf eines Karrens und wehrte dabei ständig die zahlreichen Kinderhände ab, die nach irgend etwas grabschen wollten, das in den Ledertaschen seiner schwerbeladenen Lasttiere war. Hunde und kleine Schweine streunten umher, doch Lucia zeigte keinerlei Interesse an ihnen.
Diviciatus war nicht zu Hause. Sein Sklave sagte uns, er sei bei seinem Bruder Dumnorix. Es war ein keltischer Sklave. Vermutlich irgendein armer Tropf, der sich hoffnungslos verschuldet hatte. Bei Schulden hört bei den meisten Menschen der Spaß auf. Nicht nur bei Kretos. Wir ritten durch die Wohnquartiere zurück und nahmen den breiten Weg den Hügel hinauf. Hier oben waren die prächtigsten Langhäuser. Hier wohnte der Romgegner Dumnorix. Vor dem Haus des Dumnorix war eine größere Menschenansammlung, und wie immer, wenn mindestens zwei Kelten beieinanderstanden, wurde heftig gestritten. Unter den Zuschauern erkannte ich auch den römischen Ritter Fufius Cita, Cäsars Getreidelieferant. Er hatte offenbar Cäsars Bitte um Bereitstellung von Getreide vorgetragen und wollte nun über den Preis reden, doch die Häduer waren sich uneins, ob man Cäsar überhaupt Getreide verkaufen sollte. Mitten in diese Diskussion platzten wir herein.
»Fürst Diviciatus! Cäsar schickt dir einen Boten!« schrie der Reiter, der uns vom Tor ab begleitet hatte.
Die Menschenmenge wich etwas auseinander, so daß wir in das Innere des Kreises vorstoßen konnten. Hier stiegen wir ab. Vor dem einen Langhaus stand ein stolzer Kelte, breitbeinig und protzig, mit stolzem Schnurrbart und dickem Torques, aber mit einem freundlichen Schalk im Gesicht. Ihm gegenüber stand Diviciatus, lang und hager, mit tiefen Furchen um den Mund, die Bitterkeit und Schmach verrieten. Ich bemerkte, daß er mich erkannte, aber es ziemte sich für einen Druiden fürstlicher Abstammung nicht, einen gewöhnlichen Kelten zu erkennen. So göttlich unsere Druiden auch sein mögen, in dieser Beziehung sind sie sehr menschlich. Aber was heißt hier menschlich? Gibt es einen Gott, der frei ist von Standesdünkel, Neid und Mißgunst?
»Jetzt schreibt ihm Cäsar sogar Briefe!« spottete der stolze Kelte und baute sich vor Diviciatus auf, während der Druide die Papyrusrolle entrollte. »Ich würde mich schämen, in den Arsch eines Römers zu kriechen …« Die Umstehenden lachten und applaudierten, indem sie sich mit der flachen Hand auf die Schenkel klopften.
»Häduer!« rief Diviciatus in die Runde. »Wer hat den Arvernern die Vorherrschaft über Gallien wieder entrissen? Mein Bruder Dumnorix oder Rom? – Häduer! Wer hat die Anzahl unserer Klientenstämme innerhalb weniger Jahre verdreifacht? Mein Bruder Dumnorix oder Rom? – Bezahlen wir deswegen Tribute wie die Allobroger? Müssen wir uns deswegen einen römischen Statthalter gefallen lassen, der über unsere Sitten und Bräuche entscheidet? Wir sind das angesehenste keltische Volk, und deshalb sucht Cäsar unsere Freundschaft. Es ist die Freundschaft unter gleichen. – Mein Bruder Dumnorix hingegen suchte stets die Freundschaft zu den Helvetiern. Aber was tun die Helvetier? Sie fliehen wie aufgescheuchte Hühner vor den vorrückenden Horden des Suebenfürsten Ariovist. Sag uns, Dumnorix, sind das deine Freunde?«
Dumnorix war wütend, denn er spürte, daß die Rede seines Bruders ihre Wirkung nicht verfehlte.
»Die Helvetier sind Kelten und opfern denselben Göttern …«
»Auch die Arverner sind Kelten … und trachten uns nach dem Leben. Auch die Sequaner sind Kelten und brennen unsere Dörfer nieder!«
»Hat dir Cäsar die Königswürde versprochen?« schrie Dumnorix bebend vor Wut.
»Du wolltest doch König werden, Dumnorix, nicht ich, du und deine Freunde bei den Helvetiern und Sequanern. Was haben uns denn die
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