Cäsars Druide
plätschernd ins Wasser gestoßen, übermüdete Kinder stänkerten lauthals und trotzten ihren zu Tode erschrockenen Müttern, die in aller Eile Decken und Geschirr auf die Ochsenkarren luden. Wanda half mir auf das Pferd, das nervös zu tänzeln begann. Im Licht der aufgehenden Sonne erkannten wir allmählich die endlosen Reihen römischer Legionäre, die sich über die Hügel unserem Lager näherten. Es schien so, als hätte ein Gott den kahlen Hügel plötzlich mit einem silbernen Pelz überzogen. Doch jedes einzelne Haar war ein Pilum, und jedes einzelne Pilum wurde von einem römischen Legionär getragen. Im Laufschritt kamen sie in geordneten Reihen auf uns zugerannt. »Pila deorsum!!« hörten wir rauhe Männerstimmen brüllen, und die Legionäre in den vordersten Reihen schleuderten ihre Pila auf uns, während sich die heranstürmenden römischen Linien beim Erschallen von kräftigen Tubenklängen zu verwirrenden Rechtecken und Keilen formten. Pila bohrten ihre biegsamen Spitzen in die Erde, durchbohrten Leiber von fliehenden Frauen, kreischenden Kindern, trotzig am Boden verharrenden Alten und Kriegern, die sich mit halbnacktem Körper dem Feind entgegenstellten. Flucht war sinnlos. Wir waren bereits eingekesselt. In rechteckigen Formationen walzten uns die römischen Legionäre nieder. Dort wo keltische Krieger Schild an Schild standen, verwandelten sich die römischen Formationen mit spielerischer Eleganz in einen spitzen Keil, der gleich einem Rammbock unsere Schildewand aufbrach. Wer der Umkreisung entfliehen konnte, wurde sogleich von der römischen Reiterei verfolgt und von hinten niedergehauen. Es waren kleine berittene Auxiliartruppen, meist keltische Allobroger, Arverner und Häduer, die speziell für diese Aufgabe abkommandiert worden waren. Sie kämpften für Cäsar. Man brauchte nicht den Flug der Elster zu deuten, um zu wissen, daß Cäsar die vollständige Vernichtung angeordnet hatte. Es ging nicht darum, jemanden aufzuhalten oder zu besiegen, nein, Cäsar wollte alle diese achtzehntausend Tiguriner niedermetzeln. »Accelerate! Accelerate!« Von überall her schallte der anspornende Ruf der Centurionen über das Schlachtfeld.
Plötzlich ergriff ich das goldene Rad unseres Sonnengottes Taranis, das an meinem Hals hing, und schrie, so laut ich konnte: »Onkel Celtillus!!!« Wanda nickte mir ungeduldig zu. Wir gaben unseren Pferden die Fersen und ritten so schnell wir konnten das Ufer hinauf, während uns Pila und steinerne Fluggeschosse um die Ohren flogen. Parallel zu uns ritten ein Dutzend Auxiliarreiter. Sie verfolgten ein paar Tiguriner, die sich in den Wald retten wollten. Das war unser Glück. Nein, das hätte unser Glück sein können. Denn plötzlich lösten sich vier Reiter aus der Staffel und kamen direkt auf uns zu. Zwei ließen sich leicht zurückfallen, vermutlich allobrogische Kelten, und ritten nun dicht hinter uns, während die anderen beiden versuchten, uns den Weg abzuschneiden und uns zum Fluß hinunterzutreiben. Ich weiß nicht, was in mich fuhr, aber plötzlich zog ich die versiegelte Papyrusrolle, die ich unter meiner Tunika trug, hervor und schwenkte sie wie wild. »Ave Cäsar«, brüllte ich, so laut ich konnte. Ich weiß, es ist peinlich, und noch beschämender, wenn man es erzählt, aber ich brüllte tatsächlich: »Ave Cäsar!«
Der eine Reiter, der nun fast auf gleicher Höhe war mit mir, schrie: »Wer bist du?« Es war der junge Arverner Vercingetorix. Er ritt zusammen mit seinen ebenfalls verstoßenen Stammesangehörigen für Cäsar. Ich zeigte ihm das goldene Amulett mit dem Ebergott, das an meinem Gurt baumelte.
»Ich bin Korisios, Cäsars Druide, ich bin ein Freund von Labienus und ein Freund des Primipilus der zehnten und ein Freund …«
»Dann halte deinen Gaul an, Druide!« lachte Vercingetorix. Er hatte mich endlich erkannt. Zögernd nahm ich das Pferd etwas zurück und ließ die Reiter hinter mir aufschließen. Von der Seite nahte leichte numidische Kavallerie.
»Bringt mich sofort zu Cäsar«, herrschte ich die Arverner wütend an. Ich hatte die Erfahrung gemacht, daß die meisten Leute bedingungslos gehorchen, wenn man sie nur ordentlich anfährt.
»Bist du nicht der Druide, der mit Cuningunullus und Dico geritten ist?« fragte einer von Vercingetorix' Männern.
Ich nickte. Der Arverner schwieg, aber es war deutlich zu sehen, daß er irgend etwas über den Verbleib von Cuningunullus und Dico wußte. Mir wurde kotzübel vor Angst. Ich spürte
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