Cäsars Druide
so große Verdienste erworben, daß man wahrlich nicht ruhig zusehen sollte, wenn beinahe vor den Augen unseres Heeres ihre Äcker verwüstet, ihre Kinder in die Sklaverei geführt, ihre Städte erobert würden.«
Wir hörten, daß sich Reiter in strengem Galopp näherten. Vor dem Zelt hielten sie an und sprangen von den Pferden. Ein Meldereiter betrat das Zelt und reckte die ausgestreckte Hand in die Höhe: »Heil dir, Cäsar! Unsere siegreichen Soldaten haben die Tiguriner vernichtet. Einigen wenigen ist die Flucht in den nahen Wald gelungen. Die Soldaten fragen ihre Centurionen, ob du ihnen die Plünderung erlaubst.«
»Durchkämmt die Wälder. Kein Tiguriner soll diesen Tag überleben. Danach sollen die Centurionen ihren Männern die Plünderung erlauben.«
Der Meldereiter verneigte sich kurz vor Cäsar. »So sei es, Cäsar.« Eilig verließ er das Zelt, und wir hörten, wie er davongaloppierte. Cäsar zeigte kurz auf mich und fuhr mit dem Diktat fort: »Fortsetzung Kapitel 12: Die übrigen suchten ihr Heil in der Flucht und verbargen sich in den nächsten Wäldern. Es waren dies die Bewohner des Tigurinergaues, denn das ganze helvetische Volk …«
Cäsar unterbrach und sprach mich direkt an: »Wie viele Gaue haben die Helvetier?«
»Vier«, antwortete ich.
»Also«, fuhr Cäsar fort, »denn das ganze helvetische Volk ist in vier Gaue geteilt. Gerade dieser Stamm hatte zur Zeit unserer Väter seine Heimat verlassen, den Konsul Lucius Crassus getötet und dessen Heer unter das Joch geschickt. So sollte denn, sei es durch Zufall oder nach dem Ratschluß der unsterblichen Götter, gerade jener Teil des helvetischen Volkes, der den Römern einst eine so empfindliche Niederlage beigebracht hatte, zuerst dafür seine Strafe empfangen. Dabei rächte Cäsar eine Unbill, die nicht allein den Staat, sondern auch seine Person berührte, da die Tiguriner den Legaten Lucius Piso, den Großvater seines Schwiegervaters Lucius Piso, in derselben Schlacht, in der Cassius fiel, getötet hatten.«
Cäsar schaute kurz in die Runde, ernst und nachdenklich. Wir erwiderten achtungsvoll seinen Blick. Plötzlich hellte sich seine Miene auf, und er grinste entspannt über das ganze Gesicht.
»Sag mir, Druide, wieso bist du eigentlich zu mir zurückgekehrt?«
»Wieso hätte ich das nicht tun sollen?« antwortete ich scheinheilig. »Hast du die Kelten schon gezählt, die jeden Tag für dich ausreiten und wieder zurückkehren?«
Cäsar lächelte. »Du bist anders, Druide, und du weißt das. Wozu soll ich dich also mit anderen Kelten vergleichen?«
Er fixierte mich dabei eindringlich, nicht böse, aber auch nicht sonderlich freundlich, einfach so, als wolle er in meinen Augen lesen oder prüfen, ob ich seinem Blick standhalten konnte. Das war natürlich lächerlich. Ich stellte mir einfach vor, daß Onkel Celtillus im Zelt war und die Prüfung beobachtete. Und ich bestand sie. Cäsar quittierte es mit einem freundlichen Lächeln.
»Kannst du auch Träume deuten, Druide?« fragte er ruhig.
»Manchmal.«
»Kannst du die Zukunft vorhersagen?«
»Ich weiß, daß kein Helvetier jemals den Atlanticus sehen wird.«
Cäsar schien überrascht. Er mußte über alle Maßen abergläubisch sein. Aber Herkunft und Stellung verbaten ihm, den Aussagen eines jungen Kelten, der nicht einmal adliger Abstammung war, irgendwelche Bedeutung beizumessen. Oder es gar zu zeigen. Andererseits hatte ich ihm etwas prophezeit, was er in seinem Innersten erhoffte. Und selbst Menschen, die sich nichts aus Prophezeiungen machen, hören gerne, wenn man ihnen Gutes prophezeit. Sie kommen dann immer wieder und wollen mehr hören, obwohl sie weiterhin beteuern, sich nichts aus Prophezeiungen zu machen. Cäsar befand sich mit einem römischen Heer in der Wildnis. Er hatte keine Ahnung, was ihn hier wirklich erwartete, wie stark die keltischen Truppen tatsächlich waren. Daß nun ein Kelte, der Land und Leute genau kannte, diese Prophezeiung machte, erfüllte ihn mit Zuversicht. Denn selbst wenn diese Prophezeiung jeglicher göttlichen Eingebung entbehrt hätte, so war sie doch zumindest die Einschätzung eines Druiden. Cäsar wandte sich an Aulus Hirtius: »Erstelle eine Liste aller umliegenden Stämme, und nimm sie in Kapitel elf auf. Auch sie sollen Cäsar um Hilfe gebeten haben. Es sind die gallischen Stämme, die Cäsar herbeirufen und ihn zum Richter machen.«
Dann wandte er sich an mich: »Druide, wir werden jetzt eine Brücke über den Arar schlagen und
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