Cäsars Druide
das römische Bürgerrecht erhalten und sich fortan, entsprechend der traditionellen Namengebung, Valerius Caburu genannt. Auch als Marionette Roms hatte er Geiseln stellen müssen. Unter anderem seinen Sohn. Dieser war als Geisel nach Rom gebracht worden und hatte dort seine gesamte Kindheit verbracht und seine Ausbildung erhalten. So war Valerius Procillus eine dieser seltsamen geistigen Chimären, halb Römer, halb Kelte, und zahlreiche Gelehrte wollten an Wesen wie ihm deutlich machen, daß die Erziehung wichtiger war als die Abstammung. Heute gehörte das Gebiet der Helvier auf jeden Fall zum Hoheitsgebiet von Massilia. Procillus war vielleicht zehn Jahre älter als ich. Er stand hoch in Cäsars Gunst. Er diente ihm als Dolmetscher, und wer weiß, vielleicht hatte ihn Cäsar deshalb nachkommen lassen, weil er mir immer noch nicht traute. Vielleicht hatte er mittlerweile auch den Plan gefaßt, in Gallien verschiedene Kriegsschauplätze zu eröffnen. Dafür hätte er natürlich ebenfalls mehrere Dolmetscher benötigt.
Gegen Mittag erschien Divico mit einer adligen Delegation und bewaffneten Helvetiern am anderen Ende der Brücke. Cäsar schickte Valerius Procillus über die Brücke, um den Helvetiern mitzuteilen, daß er bereit war, sie zu empfangen. Langsam und würdevoll stapfte Divico über die knarrenden Querbalken der hölzernen Brücke. Die Delegierten folgten mit vier Schritt Abstand. Cäsar erwartete ihn, flankiert von seinen Liktoren, am anderen Ende. Auch er war zu Fuß. Divico blieb eine Pferdelänge vor Cäsar stehen. Unwirsch fegte er sich mit einer Handbewegung die weißen Strähnen aus dem Gesicht und schrie zornig: »Wir sind gemäß deinen Weisungen der römischen Provinz ausgewichen und haben einen anderen Weg gewählt! Wieso suchst du nun außerhalb der römischen Provinz den Krieg? Hast nicht du selbst, Cäsar, als Konsul in Rom, das Gesetz eingebracht, wonach ein Prokonsul außerhalb seiner Provinzgrenzen keinen Krieg führen darf? Du weißt genau, wieso wir unsere Heimat verlassen haben. Wir Helvetier wünschen den Frieden. Wenn das römische Volk mit den Helvetiern Frieden schließt, sind wir bereit, in jedes Land zu ziehen, das du uns zuweist, und uns dort niederzulassen. Sage uns, wo wir uns ansiedeln sollen, aber höre auf, uns außerhalb der römischen Provinz zu verfolgen. Falls du aber auf einer Fortsetzung des Krieges beharrst, so gedenke der früheren Niederlage des römischen Volkes und der Tapferkeit der Helvetier. Wenn du gestern hinterrücks einen unserer Stämme angegriffen hast, weil die übrigen, welche den Fluß bereits überschritten hatten, ihnen nicht mehr zu Hilfe eilen konnten, so sollst du dir deswegen nichts auf deine Tapferkeit einbilden. Wir Helvetier haben von unseren Vätern und Vorvätern gelernt, im Kampf zu siegen. Wir suchen unser Heil nicht in der List. Nimm dich deshalb in acht, Cäsar«, polterte Divico und reckte die geballte Faust in den Himmel, »nimm dich in acht! Nur zu leicht kann dein jetziger Lagerplatz von der Niederlage des römischen Volkes und der Vernichtung deines Heeres künden.« Ich weiß nicht, wieso ausgerechnet Divico diese Unterredung führte. Er wirkte kränklich, und das Feuer in seinen Augen war gänzlich erloschen. Die Götter hatten ihn entzaubert. Er war nichts als ein Greis, dem das Leben zerrann. Seine Rede hatte ihn erschöpft. Schwer atmend stand er nun da und wartete.
Als Procillus die letzten Sätze übersetzt hatte und Divico keine Anstalten mehr machte, weiterzusprechen, ergriff Cäsar mit ungerührter Miene das Wort: »Ich habe das, was ihr unseren Vorfahren angetan habt, mitnichten vergessen.« Umständlich erzählte Cäsar nochmals diese uralte Geschichte, vermied es aber, erneut Lucius Piso, den Großvater seines Schwiegervaters, zu erwähnen. Er redete und redete, und es schien fast so, als hätte er nicht einen einzigen Grund, mit dem er Divico seinen heimtückischen Überfall außerhalb der römischen Provinz erklären könnte.
»Gesetzt den Fall«, fuhr er fort, »ich wollte jene alte Schmach vergessen, wie könnte ich jemals euren Versuch, einen gewaltsamen Durchzug durch meine Provinz zu erzwingen, vergessen?«
»Wir sind hier im freien Gallien, Cäsar!« unterbrach ihn Divico. »Wenn wir die Absicht gehabt hätten, durch die römische Provinz zu ziehen, hätten wir es auch getan. Aber wir wollen Frieden mit dem römischen Volk und haben deshalb diesen beschwerlichen Umweg gewählt. Wieso hast du uns in Genava
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