Cäsars Druide
steifes linkes Bein, sondern vier schnelle Hufe. Im Wasser bewegte ich mich wie ein Fisch. Ich liebte das Wasser. Am liebsten hätte ich jedoch Wanda geküßt. Ich weiß nicht, wieso. Aber die Art und Weise, wie sie mich an den Hüften von der Felsplatte heruntergezogen hatte, hatte mich seltsam berührt. Oder gar erregt. Ich mußte sie immer wieder von der Seite anschauen und konnte mich an ihrem Mund nicht satt sehen. Ich wollte sie nochmals lachen sehen. Sie war zwar meistens still und ruhig, aber in ihren Augen brannte ein Feuer, und man konnte nur ahnen, was passieren würde, wenn sie eines Tages ihre Ketten sprengen würde. Wie auch immer, ich war natürlich auch alt genug, um zu wissen, daß solche widersprüchlichen Gefühlsregungen für mein Alter nicht ungewöhnlich waren. Santonix hatte es mir erzählt. Plötzlich konnte man Bäume ausreißen, gleich darauf in Tränen ausbrechen und vor Selbstmitleid sterben, um wenig später einer germanischen Sklavin wie ein junges Fohlen hinterherzulaufen. Wissen konnte somit auch beruhigen. Und es gab auch keinen Grund, sich wegen zweier Fibeln verrückt zu machen. Wanda war und blieb eine germanische Sklavin. Ich beherrschte mich und stellte trocken fest:
»Das Leben ist großartig.«
Wanda schaute mich an, so wie man einen Wahnsinnigen anschaut, der die Rinde einer Rotbuche anknabbert. Wanda schmunzelte, ohne ihre Zähne zu zeigen. Dabei wartete ich die ganze Zeit auf ihr erotisches Lachen. Ich war süchtig danach. Ich versuchte es nochmals auf germanisch: »Sag mal, Wanda, ist es wahr, daß bei den Germanen die Jungen und Mädchen zwar zusammen baden, sie aber vor dem zwanzigsten Lebensjahr keinen Spaß haben dürfen?«
Wanda warf mir einen kurzen Blick zu, aus dem ich wie immer überhaupt nicht schlau wurde.
»Wieso fragst du, wenn du es weißt?«
»Wieso nicht?« antwortete ich aufbrausend. »Wenn ich Germanisch lernen will, muß ich ja über irgend etwas reden. Von mir aus kannst du es als Unterricht auffassen.«
»Dann setz den Unterricht fort, Herr.«
Bei dieser Antwort erübrigt sich wohl jede Bemerkung.
»Möchtest du frei sein, Wanda?«
»Ich bin die Sklavin deines Onkels, Herr.«
»Bei Epona! Was macht das Klima bloß aus euch Germanen. Fließt denn Eiswasser in euren Adern? Kannst du nicht mal einen Augenblick lang träumen?«
Wanda blieb stehen und schaute mir direkt in die Augen. So furchtlos und unverschämt, daß Onkel Celtillus ihr bestimmt die Peitsche gegeben hätte. Und zwar die mit den Eisennieten: »Du hast dich nicht geirrt, Herr. Es waren germanische Reiter. Späher.«
Jetzt hatte sie es doch noch geschafft. Ich spürte, wie sich meine Muskeln und Sehnen strafften. Es war, als ob jemand eiserne Schildbuckel über meine Gelenke preßte. Mein linker Fuß krümmte sich noch mehr einwärts und legte sich beim Aufsetzen quer vor den anderen Fuß. Ich stockte, strauchelte. Wanda packte meinen Arm, fing mich auf. Ich versuchte weiterzugehen. Der Rücken schmerzte, als hätte ich einen Speer verschluckt. Jetzt hatte ich Angst, richtig Angst. Es war mir nicht mehr zum Spaßen zumute. Wenn jetzt Ariovist mit seinen Reitern erschien, ich würde ihn bestimmt nicht zum Lachen bringen.
Auf unserem Hof standen bereits die Ochsenkarren in einer langen Kolonne zur Abreise bereit. Die Frauen trieben Pferde, Ochsen, Schweine, Rinder, Schafe, Hühner, Gänse und Hunde zusammen. Das Kleinvieh würde man auf die Karren hieven, zusammen mit prallgefüllten Weidenkörben, dem Saatgut und den Fässern, dem ganzen Hausrat. Doch es gab weder Aufruhr noch Gerede. Große Worte waren wie gesagt nicht Sache der Kelten. Ich war eine Ausnahme. Ich könnte pausenlos reden und soviel schreiben, daß im ganzen Mittelmeerraum Wachstafeln, Papyrus und Pergament knapp würden.
Onkel Celtillus kam auf mich zu und zeigte mir den Karren, auf dem ich die Fahrt nach Genava verbringen würde. Ich würde inmitten von gepökeltem Schweinefleisch und halbzylindrischen Bleibarren meinen Platz finden. Er hatte mir sogar ein paar Gabeln Stroh reingepreßt, damit ich auf der Reise nicht allzusehr durchgeschüttelt würde. Er wußte, daß Erschütterungen meine Muskeln verhärteten. Wir spazierten schweigend bis hinter das letzte Langhaus. Von hier aus hätte man nahende Reiter am schnellsten erkennen können. Doch es kamen keine Reiter. Der Wind hatte sich gedreht. Jetzt lag der Geruch von Verbranntem in der Luft, der Geruch des Todes. Arialbinnum brannte immer noch. Wir wußten
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