Cäsars Druide
Aber wenn du römischer Söldner wirst, werde ich Druide. So kommen wir uns nie in die Quere«, lachte ich.
»Ich werde nie verstehen, was du gegen die Römer hast, Korisios! Selbst ein freigelassener Sklave kann in Rom reich werden. Dein Vater konnte als Söldner Ruhm und Ehre ernten. Und heute kannst du dich sogar als Auxiliarreiter bewerben! Dann erhältst du nach Beendigung deiner regulären Dienstzeit das römische Bürgerrecht! Korisios, stell dir mal vor, meine Kinder kämen als römische Bürger auf die Welt und könnten römische Centurionen werden! Und du könntest in Roms Bibliotheken richtige Bücher lesen. Kein Druide könnte dich daran hindern!«
Ich winkte müde ab. Ich kannte seine Träumereien.
»Korisios! Ich bin Krieger! Mir ist es völlig egal, ob ich gegen Helvetier, Römer oder Griechen kämpfe. Du und meine Sippe, ihr seid die einzigen, gegen die ich nie das Schwert erheben würde. Aber ich bin ein Krieger, Korisios, und ich habe nicht vor, ein Leben lang Schweine zu füttern.«
Basilus strotzte vor Energie und Unternehmungsgeist. Sein großes Vorbild war der Kelte Brennus, der vor einigen hundert Jahren in Rom eingefallen war. Ruhm und Ehre bedeuteten Basilus alles. Dafür hätte er sein Leben gegeben. Er reichte mir die Hand und half mir, vom Baumstamm runterzusteigen. Es war Zeit. Ich glaube, Basilus war neben Onkel Celtillus der zweite Mensch, den mir die Götter geschickt hatten. Da aber bei uns Kelten erst die Zahl 3 eine besondere Bedeutung hat, mußte es noch einen weiteren Menschen geben. Wanda? Nein, dann schon eher Lucia.
Der geweihte Ort unserer Hofes lag nur einen kurzen Ritt vom Dorf entfernt, in einem schier undurchdringlichen Wald, der sich über zwei Hügelketten erstreckte. Es war bereits Nacht, als wir alle zusammen den Druiden zum schwarzen Wasser folgten. Stumm schlugen wir uns durch Birkengestrüpp und stachelige Büsche, überquerten moorigen Boden, der mit dunkelgrünem Moos durchsetzt war, und drangen immer tiefer ins Zentrum unseres Heiligtums ein, mit wachen Sinnen den vorangehenden Druiden folgend. Während andere Völker ihren Göttern riesige Pyramiden oder Tempel bauen, wohnen unsere Götter in der Natur: in Bäumen, Gewässern und Steinen. Deshalb belustigte es uns auch immer wieder zu hören, daß andere Völker ihre Götter in Form von Statuen abbildeten. Ich glaube deshalb, daß für einen Kelten ein Spaziergang über das Forum Romanum in Rom lebensgefährlich gewesen wäre. Er wäre vermutlich beim Anblick all dieser Götterstatuen vor Lachen gestorben. Auch wir haben natürlich Statuen. Aber sie stellen nicht Götter dar, sondern Verstorbene, die wir verehren.
Plötzlich blieben die anderen vor mir stehen und bildeten einen Kreis. In der Mitte einer Lichtung ruhte eine Felsplatte auf zwei runden Steinen. Dahinter lagen zwei vermooste und wild überwucherte Menhire. Der eine war umgestürzt, der andere steckte noch aufrecht im Waldboden. In der Dunkelheit wirkten sie wie stumme Silhouetten von übermächtigen Göttern. Es waren nicht unsere Menhire. Lange vor unserer Zeit hatte ein fremdes Volk sie hier aufgerichtet. Es war ein heiliger Ort. Santonix bestieg die Steinplatte und schaute in den sternenlosen Nachthimmel hinauf. Obwohl es am Boden keinerlei Zeichen gab, die den Beginn des heiligen Kreises markierten, wußten wir alle, daß wir keinen Schritt weitergehen durften. Es war ein heiliger Ort, der eine magische Kraft ausübte. Und es war so dunkel, daß man nicht mal das verkrustete Blut an der vermoosten Rinde der Esche sehen konnte.
Der Druide Santonix wandte sich gegen Osten und hob seine goldene Sichel in die schwarze Nacht. Dann wandte er sich gegen Westen und blieb unter der großen Esche stehen, unter der die Steinplatte aufgestellt worden war. Die Esche ist uns Kelten heilig. Genauso wie die Mistel. Sie lebt auf dem Baum wie der Geist im Körper. Sie ist wichtiger als ein Menschenleben.
Die Druiden erhoben erneut ihre Arme in die Nacht und begannen die Verse zu summen, die bereits unsere Vorfahren gesummt haben. Es war das Summen der Gestirne, als die Götter die Erde schufen. Die Druiden sangen nun die heiligen Verse unseres Volkes, erzählten die Geschichten unserer Vorfahren. Ich zweifelte schon damals an der Richtigkeit jener in Versform gesungenen Lobhudeleien, die ich als Druidenlehrling längst auswendig konnte. Ein Volk, das seine Geschichte nicht schriftlich festhält, hat keine Geschichte, sondern Mythen und Legenden.
Dennoch
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