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Cäsars Druide

Titel: Cäsars Druide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cueni Claude
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Bei uns wäre alles für immer ausgelöscht.
    Ein Gedanke jagte den anderen. Wanda, Onkel Celtillus, Basilus, die germanischen Späher, griechische Wachstafeln, Massilia, Hieroglyphen, Amphoren, Wandas Brüste, ihre Lippen, das Amulett, Silberdenare, Ariovist, Rom …
    Plötzlich war es totenstill. Alle waren verstummt. Santonix stand auf der Steinplatte und reckte erneut die Arme gen Himmel. Die beiden Hilfsdruiden entzündeten Fackeln. Der Wald schien sich plötzlich zu erheben. Das Rauschen der Blätter wurde stärker, drängender, als kündigten neue Götter ihr Nahen an. Alle Bewohner unseres Gehöfts standen am Rand des heiligen Bezirks und starrten auf die beiden weißen Ochsen. Kränze wurden auf ihre Hörner gelegt. Der eine Ochse schüttelte den Kranz wieder ab. Als sich der Hilfsdruide nach dem Kranz bückte, wehte ihn der Wind ein Stück weit fort. Ich sah Celtillus Augen, wie sie langsam glänzend und feucht wurden. Er wußte, was es zu bedeuten hatte. Unsere Gemeinschaft würde weggeblasen, wie ein Blatt im Wind. Aber hatte uns das nicht schon der Weinhändler Kretos prophezeit? Für ihn lag das Übel in der Lebensweise des keltischen Volkes. Wir Kelten kannten keine Zentralgewalt wie die Römer. Wir waren ein wilder Haufen untereinander zerstrittener Stämme. Für den römischen Adler wäre es ein leichtes, uns zu unterwerfen. Doch wenn es uns gelang, uns im Süden, am Ufer des Rhodanus, beim Oppidum der keltischen Allobroger, unter einer einzigen Führung zu vereinen, dann würde der gierige Schnabel des römischen Adlers an unseren Kettenhemden zersplittern, falls er es wagen sollte, nach uns zu hacken.
    Offenbar teilten die Götter, die nun durch Santonix sprachen, meine tollkühnen Phantastereien nicht. Es gab nämlich drei Gründe, die gegen uns sprachen: die Germanen im Norden, die Daker im Osten, die Römer im Süden. Zwischen diesen drei Völkern würden wir zerrieben werden, wie das Korn unter dem Mühlstein. Das hatten uns die Götter soeben prophezeit.
    Santonix erhob seine Stimme in der Nacht: »Kelten, der Mann des Verderbens, der uns prophezeit ist, wird kommen. Er reitet unter dem Adler, und auf den Schilden seiner Männer sind die in Blut getränkten Schlangenblitze seines Gottes abgebildet. Zahlreich sind seine Feinde. Auch unter den Göttern. Sie haben einen Menschen bestimmt, ihn zu vernichten. Er lebt unter uns. Denn wäre er unter dem Adler geboren, hätten ihn die seinen ersäuft, wie den dreifarbigen Gott, der ihn begleitet.«
    Bloß das nicht! Santonix starrte auf mich. Ich spürte, wie die Hitze in meinen Kopf stieg. Vermutlich leuchtete ich bereits wie ein Lagerfeuer. Alle starrten ehrfürchtig zu mir rüber. Mit dem Mann, der unter dem Adler reitet, konnte kein Geringerer als der hoch verschuldete römische Konsul Gaius Julius Cäsar gemeint sein, der in der neu entstandenen Provinz Gallia Narbonensis das Amt des Prokonsuls angetreten hatte und sich die Zeit in den Betten verheirateter Senatorenfrauen vertrieb. Daß in Lucia, die sich wieder vor allem für die Riemen meiner Lederschuhe interessierte, ein Gott wohnte, war hingegen schon etwas abenteuerlich. Völlig abwegig war hingegen, daß ausgerechnet ich in die Nähe dieses Mannes geraten sollte. Wie sollte ein keltischer Druidenlehrling, dem die Götter Muskeln aus hartem Eisen geschenkt hatten, einen römischen Prokonsul töten? Etwa mit seinem Humor? Damit auch der Dümmste in unserer Dorfgemeinschaft merkte, wer damit gemeint war, überreichte mir ein Hilfsdruide ein bronzenes Opfermesser mit einem vergoldeten Kopf am Ende des Griffes und sagte: »Wenn der elfenbeinerne Halbmond an deiner Sandale hängt, wirst du den Adler töten.«
    Ich muß an dieser Stelle mal ausdrücklich betonen, daß diese Geschichten vom guten Menschen, den die Götter auf die Erde schicken, um einen Stamm von einem bösen Mann zu befreien, vermutlich so alt sind wie die menschliche Sprache. Diese Geschichten entspringen stets der Hoffnung nach außerirdischer Hilfe und werden auch noch in zweitausend Jahren erzählt werden. Sie geben Kraft und spenden Hoffnung. Und niemand ist verärgert, wenn die Prophezeiungen nicht eintreffen, denn die Götter wechseln genauso oft ihre Meinung wie wir Menschen.
    Der Hilfsdruide kehrte zu seinem Ochsen zurück, nahm den Kranz wieder auf und streifte ihn dem Ochsen, beschwörend einen heiligen Vers murmelnd, nochmals über die Hörner. Santonix nahm es regungslos zur Kenntnis. Er hob seine goldene Sichel

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