Cäsars Druide
vorderen Zähne fehlten. Ich büschelte seine Haare zu einem Zopf und schnitt sie ab. Ich knöpfte das Haar an meinen Gurt.
»Wieso schlägst du ihm nicht den Kopf ab?«
Mein Freund Basilus kam zwischen den Bäumen hervor. Er saß auf einem hellbraunen Germanenpferd. In der Hand die Zügel einer schwarzen Stute. Ich weiß wirklich nicht, wie er das anstellte, aber von Kindesbeinen war er stets in der Nähe, wenn ich in der Klemme saß.
»Ich habe ihn den Göttern geopfert«, antwortete ich. Basilus sah das Opfermesser, das in der Brust des großen Germanen steckte, und nickte. Es kostete einen Kelten viel Überwindung, seinem toten Feind den Kopf auf den Schultern zu lassen. Denn im Kopf ist der Geist und die Kraft, und es gibt nichts Edleres, als den Geist und die Kraft seines Feindes mit nach Hause zu nehmen. Und jedem Besucher zeigte man die abgeschlagenen Köpfe und brüstete sich mit den Angeboten, die man für die einzelnen Köpfe bereits erhalten hatte. Wollte man einem Kelten ein Kompliment machen, bot man ihm Eisenwaffen, hübsche Sklavinnen oder Vieh für einen abgeschlagenen Kopf an. Möglichst viel. Damit der Besitzer dankend ablehnen und später von seiner Standfestigkeit berichten konnte. Je höher der angebotene Preis, desto ehrenvoller die Standfestigkeit.
»Nimm das Pferd, Korisios, und reite nach Süden. Wir treffen uns beim See. Ich will noch ein paar Köpfe sammeln.«
»Reite gescheiter ins Oppidum der Tiguriner, Basilus, und warne Divico.«
»Was kümmert mich der alte Divico? Ich will kämpfen.«
Plötzlich hörten wir Stimmen. Basilus gab mir ein Zeichen, mich zu verkriechen. Lautlos streifte er die Zügel des zweiten Pferdes über eine Astgabel. Ich konnte mein Glück gar nicht richtig fassen. Irgendwie paßte alles zusammen wie bei einem römischen Mosaik. Die Druiden, die den Kelten mit dem dreifarbigen Hund erwähnen, das Opfermesser, das man mir, dem Auserwählten, überreicht. Ich war nahe daran, diese abstruse Geschichte selbst zu glauben. In puncto Aberglauben und Vorahnungen stehen wir Kelten ja bekanntlich den Römern in nichts nach. Ständig sind wir auf der Suche nach irgendwelchen Zeichen am Himmel, nach irgendwelchen Merkwürdigkeiten, und wenn ein Hund pinkelt, während der Hahn kräht, sind wir durchaus imstande, daraus den nächsten Erntebericht abzulesen.
Basilus wendete sein Pferd und ritt langsam über die Lichtung. Erst jetzt sah ich, daß sein Gesicht schmerzverzerrt war. Zwischen seinen Rippen steckte der abgesplitterte Holzschaft eines germanischen Speeres.
»Laß den Speer drin, bis du das nächste Oppidum erreicht hast«, flüsterte ich ihm zu, »sonst läufst du aus wie ein angestochenes Faß. Wenn ich dich hier verarzte, brauche ich Feuer und heißes Wasser, und du mußt mindestens drei Tage liegenbleiben …«
»Mach dir um mich keine Sorgen, Korisios«, murmelte Basilus, »ich habe geträumt, ich würde eine römische Standarte erbeuten. Also werde ich leben.«
»Du wirst leben«, lachte ich leise. »Und ich habe von Massilia geträumt. Aber du warst nicht dabei. Und auch die nubischen Sklavinnen fehlten.«
»Du hättest in deinem Traum im großen Bad nachschauen sollen. Dort hättest du mich gefunden. Zusammen mit den nubischen Sklavinnen, die Fisch und weißen Harzwein anbieten«, grinste Basilus. »Aber sag mir die Wahrheit, Korisios, werden wir uns wiedersehen?«
Basilus hielt sehr viel von meinen seherischen Fähigkeiten. Ich weiß allerdings nicht, ob ich welche besaß. Sicher ist, daß ich mit meinen Prophezeiungen fast immer richtig lag. Aber reichten Erfahrung, Menschenkenntnis und Beobachtungsgabe nicht meistens schon aus, um sich ein Bild von der Zukunft zu machen?
»Ja«, schrie ich Basilus erfreut zu, »wir werden uns wiedersehen, Basilus.«
Basilus drückte dem Pferd sanft die Ferse in die Seite. Ich wollte noch etwas hinzufügen. Ich wollte ihm sagen, daß wir uns wohl wiedersehen würden, aber nicht an der atlantischen Küste. Das Rauschen des Ozeans war verstummt. Die Götter hatten es ausgelöscht und eine Unruhe in mir zurückgelassen, die ich noch nicht deuten konnte. Basilus war in der Dunkelheit verschwunden.
Ich blieb alleine mit all den Toten auf der Lichtung. Germanen und Kelten. Im Grunde genommen hatten wir das gleiche Schicksal. Viele Germanen tragen sogar keltische Namen. Wir Kelten unterscheiden zwischen Sippen und Stämmen, aber nicht zwischen Kelten und Germanen. Es ist Rom, das diese Unterscheidung herbeischrieb.
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