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Cäsars Druide

Titel: Cäsars Druide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cueni Claude
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erneut in den pechschwarzen Nachthimmel empor. Mit einer zeremoniellen Handbewegung schnitt er einen Mistelzweig vom Baum. Die beiden Hilfsdruiden standen unter ihm und hielten das weiße Laken ausgebreitet. Ein kräftiger Windstoß blies wie ein erzürntes Raunen durch den Wald. Der Fall des Mistelzweiges wurde etwas gebremst, doch er fiel sanft auf den weißen Leinenstoff.
    Wenn der elfenbeinerne Halbmond an deiner Sandale hängt, wirst du den Adler töten, ging es mir immer wieder durch den Kopf. Der Adler war mir verständlich, was aber der elfenbeinerne Halbmond an meiner Sandale bedeuten sollte, war absolut unverständlich. Ich trug Lederschuhe, sogenannte Caligae, die mein Onkel in Massilia für mich hatte anfertigen lassen. Sie waren an der Ferse verstärkt, um dem Fuß mehr Halt zu geben, und die Sohle war in der Mitte und am äußeren Rand so angehoben, daß der Fuß nicht platt auflag. Es waren keine Sandalen, und von einem elfenbeinernen Halbmond konnte keine Rede sein. Das Symbol war mir auch nicht geläufig. Ich hätte es noch am ehesten mit Carthago in Zusammenhang gebracht. Aber Carthago lag seit über hundert Jahren in Schutt und Asche, die Mauern waren geschleift, und die Ackerfurchen mit Salz gefüllt, auf daß nie mehr etwas gedeihen sollte. Carthago war nach römischer Art befriedet.
    Den beiden Ochsen waren bereits über dem mit Misteln bedeckten weißen Laken die Köpfe abgeschlagen worden. Nach einigen wilden Zuckungen erschlafften die Körper. Stoßweise schoß das warme Blut hervor. Ein stinkender Dampf legte sich über die heilige Lichtung. Das Opfer genügte nicht. Santonix wollte mehr. Er behauptete, die Götter verlangten mehr. Verbrecher konnten wir leider keine anbieten. Die hatten wir längst alle geopfert. Bloß keine Jungfrau, schoß es mir durch den Kopf. Seit ich Wanda hatte lachen sehen, bestand mein ganzer Ehrgeiz darin, sie nochmals zum Lachen zu bringen. Ich wußte nicht, ob die Götter auch Sklavinnen akzeptierten. Hier hatte ich eine Wissenslücke, aber ich konnte mir vorstellen, daß das Jungfernhäutchen wichtiger war als die gesellschaftliche Stellung der Auserwählten. Es mußte einfach etwas Reines sein, das einem von uns verdammt viel bedeutete. Ich hätte Wanda heute nachmittag eben doch besser so lange geküßt, bis sie nicht mehr Jungfrau gewesen wäre. Wanda – das wäre so, als würden sie mir mein linkes Bein abhauen. Das konnte nicht der Wunsch der Götter sein, wenn sie mehr im Kopf hatten als einen Haufen weicher Pferdeäpfel. Also wenn ich Druide wäre, durch meinen Mund würde kein Gott derartigen Schwachsinn erzählen. Ich muß an dieser Stelle mal darauf hinweisen, daß unsere Götter keine unfehlbaren Gemüter sind, nein, wir haben auch eine Menge Schlitzohren, Halsabschneider und übles Gesindel in unserem Götterrudel.
    Basilus hielt sanft meinen rechten Arm fest. Meine Gedanken waren die seinen. Jetzt hielt jemand auch noch meinen linken Arm fest, Celtillus. Mit einer unwirschen Bewegung versuchte ich sie abzuschütteln. Wozu mich festhalten? Ich hätte Wanda nicht retten können. Wäre ich vorwärts gehumpelt, man hätte mich schon nach wenigen Schritten mit Pfeilen durchlöchert. Wofür hätte ich das tun sollen? Für eine Sklavin? Für eine Germanin? Nein, für mein linkes Bein!
    Ich schaute zu Wanda hinüber, die abseits stand und eher gelangweilt mit ihrem gläsernen Armreif spielte. Ich muß gestehen, wenn ich einen üblen Charakterzug habe, dann den, daß ich mir manchmal Dinge ausmale, vor denen ich mich fürchte, und vor lauter Detailbesessenheit gar nicht mehr auf den Gedanken komme, daß ich mir ja alles nur eingebildet habe. Unsere Druiden sagen, daß man auf diese Weise nicht nur das Gute herbeizwingen könne, sondern auch das Schlechte. Ich riß mich deshalb mit aller Kraft zusammen und trichterte mir ein, daß Wanda wohlauf war und mit einer Armspange spielte, die ihr gar nicht zustand. Aber gut zu ihren beiden Fibeln paßte, die ihr noch weniger zustanden.
    Der Druide hob nochmals die Arme in den sternlosen Nachthimmel. Der Schatten seiner goldenen Sichel flackerte unruhig in den Baumkronen. Ich fror. Es war plötzlich sehr kalt. Ich fühlte einen pochenden Kloß im Hals, der rasant anschwoll und wie ein Feuer brannte. Ich spürte, wie sich die Muskeln in meinem Rücken wie Krallen um meine Gelenke schlossen. Ich hatte das Gefühl zu versteinern. Zuerst war es nur das linke Bein. Es war wieder wie früher. Ich konnte es nicht mehr

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