Cäsars Druide
Mann erschienen. Der Fremde trug eine kurzärmelige weiße Tunika mit veredeltem Saum. Die von Öl glänzenden, muskulösen Oberarme hätten jeden Bildhauer begeistert. Er hatte nicht den Körper eines Schwerarbeiters, sondern den Körper eines Athleten. Auch der rote Reiterumhang ließ an einen Wagenlenker denken. Sein Schritt war leicht und federnd. An den Füßen trugen er hohe Lederstiefel. Ein Waffengurt mit silberner Schnalle betonte seine sportliche Figur. Er trug den römischen Gladius links. Wie die hohen Offiziere.
»Milo!« rief Kretos erfreut und hob seinen Becher. »Setz dich zu uns.«
Milo löste den Halbmond an seiner Brust, eine Fibel aus massivem Gold, und warf seinen roten Umhang nach hinten, wo ihn ein plötzlich aufgetauchter Sklave auffing. Theatralisch breitete der neue Gast die Arme aus. Er sprühte nur so vor Unternehmungslust. »Ich höre, mein lieber Freund Kretos braucht für seine Bosheiten wieder mal einen Zeugen.«
Milo gefiel mir. Er hatte einen offenen, freundlichen Blick und sprach offensichtlich aus, was er dachte.
»Ich bezweifle, daß Roms Totschläger in Massilia Zeuge werden kann«, stichelte der Richter.
Ich horchte auf. Milo, ein Totschläger? Ich war irritiert.
»Massilia hat mir Asyl gewährt«, grinste Milo und nickte freundlich Kretos zu, der den Dank mit Genugtuung zur Kenntnis nahm, »und wenn mir Massilia Asyl gewährt, werde ich hier wohl als Zeuge auftreten können. Ich bin schließlich römischer Bürger!«
»Nun gut, dann sollst du Zeuge sein.« Der Richter stopfte sich ein Stück Fleisch in den Mund und spülte mit verdünntem Wein nach. »Aber ich warne dich, Milo! Wenn du in Massilia noch weitere Gladiatoren anwirbst, wird dich der Rat der Stadt vor die Tore setzen.«
Milo lachte. »Seid froh, daß ich ein bißchen Leben und Unterhaltung in dieses verschlafene Nest bringe. In Rom habe ich die prächtigsten Spiele gegeben, die jemals ein Privatmann spendiert hat. Wenn ich hier die ersten Spiele veranstalte, wird mir die ganze Küste zu Füßen liegen …«
»Bist du etwa Annius Milo?« fragte ich ungläubig.
»Ja. Überrascht?«
»Aber sicher. Ich war Schreiber in Cäsars Schreibkanzlei in Gallien. Ich habe die ersten sechs Bücher über den gallischen Krieg mitverfaßt. Und natürlich alle Korrespondenz aus Rom gelesen.«
Milo fühlte sich geschmeichelt. »Dann hat man also auch im fernen Gallien über mich gesprochen?«
»Ja! Du sollst im Januar auf der Via Appia Cäsars Kettenhund Clodius erschlagen haben.«
Milo nickte. »Hätte ich Cäsar erschlagen, Pompeius hätte mir ein fünfhunderttägiges Dankfest versprochen. Aber ich denke, Clodius war schon ein guter Anfang.«
»Ich möchte Wagenlenker werden!« platzte Basilus plötzlich heraus.
Der Richter schaute nicht mal hoch. Kretos rümpfte die Nase und fragte: »Ist das wirklich dein Sklave?«
»Nein!« schrie ich und starrte Basilus wütend an. »Und ich wäre froh, wenn du das endlich kapieren würdest, Basilus! In einer Stunde werde ICH Sklave sein! Willst du der Sklave eines Sklaven sein?«
Basilus schwieg. Ich wandte mich an Milo. Er war meine letzte Hoffnung. »Kretos will mir meine Sklavin Wanda nicht verkaufen. Er läßt sie frei, wenn ich mich selbst in die Sklaverei verkaufe!« Ich mußte es versuchen. Vielleicht konnte Milo das Blatt noch wenden.
»Was ist denn so Besonderes an dieser germanischen Sklavin?« fragte mich Milo. »Ist sie eine begnadete Schneiderin oder Köchin …«
»Ich liebe sie!« sagte ich trotzig. »Und Kretos weiß das!«
Kretos lief vor Zorn rot an. »Du sitzt nicht an meinem Tisch, um meine Gäste gegen mich aufzuhetzen, Druide! Milo ist als Zeuge hier, nicht als dein Anwalt!«
»Druide?« lachte Milo erstaunt. »Kannst du auch in die Zukunft sehen?«
»Ja«, sagte ich ruhig und mit beinahe düsterer Stimme. »Cäsar habe ich oft prophezeit, was sich in Gallien erfüllen und in Rom vollenden würde.«
Plötzlich waren alle still, verblüfft. Auch Milo machte nun ein ernstes Gesicht. Er wandte sich an Kretos. »Wieso verkaufst du mir nicht diese germanische Sklavin?«
»Du bist doch bis über beide Ohren verschuldet!« spottete Kretos.
»Glaubst du?« ereiferte sich Milo. »Wie oft war denn Cäsar verschuldet? Du vergißt, daß ich der Schwiegersohn des Diktators Sulla bin! Ich mag Schulden haben wie jeder anständige römische Bürger, der Rom große Spiele schenkt, aber ich bin nicht verschuldet. Noch ist es für jeden eine Ehre, mir Geld zu
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