Cäsars Druide
runder Tisch mit Früchten, Wasserschalen, Weinkrügen und Bechern. Ein älterer Mann um die Fünfzig kam freundlich auf mich zu. Er trug eine schlichte, ärmellose Tunika aus dickem, rotem Wollstoff mit Fischgrätenmuster. Um die Taille trug er einen Ledergurt mit kunstvoll emaillierten Rosetten und einer goldenen Schnalle. Obwohl er seine Tunika über dem Gurt bauschig hochgezogen hatte, reichte sie immer noch bis zu den Waden. Nur Offiziere trugen die Tuniken so lang. Einem einfachen Legionär wäre diese Länge beim Marschieren hinderlich gewesen.
»Ich bin Gaius Oppius, römischer Ritter und Offizier in Cäsars Stab. Ich bin für das Nachrichtenwesen verantwortlich.«
»Wie bescheiden!« lachte ein bärtiger Mann, der tief über eine Pergamentrolle gebeugt war und mit ruhiger Hand eine Abschrift verfaßte. »Gaius Oppius ist Cäsars Geheimdienstchef. Er hat mehr Augen und Ohren …«
Gaius Oppius nickte dem bärtigen Schreiber ungeduldig zu und unterbrach ihn: »Das ist Aulus Hirtius, Offizier und für Cäsars Korrespondenz zuständig.«
Aulus Hirtius machte seinem Namen alle Ehren, denn ›Hirtius‹ heißt ›borstig‹ oder ›zottig‹. Und es schien so, als hätte er seinen Bart entsprechend wuchern lassen. Das war schon erstaunlich, daß ich hier einen Römer mit Bart antraf. Denn Bärte und Schambehaarung galten allgemein als tierische Attribute der minderwertigen, wilden Barbaren. Ich mochte diesen Aulus Hirtius sofort. Ich ging ein paar Schritte auf ihn zu und schaute ihm über die Schulter. In schönen griechischen Buchstaben übertrug er einen Text, der auf einer Wachstafel eingraviert war, auf Pergamentpapier.
»Aulus Hirtius braucht dringend eine zusätzliche Schreibkraft, um den zunehmenden Schriftverkehr zu bewältigen«, sagte Gaius Oppius und musterte mich von Kopf bis Fuß. Nach einer Weile sagte er: »Kriege werden nicht nur auf dem Schlachtfeld gewonnen. Was nützt ein Sieg, den man nicht kundtun kann? Ich bestimme, wie viele Kopien angefertigt und an welche Nachrichtenagenten und Verbündeten in Rom sie geschickt werden.«
Aulus Hirtius schmunzelte. »Und er bestimmt auch, ob es in Gallien schneit oder regnet.«
Ich wußte nicht genau, was das zu bedeuten hat, aber ich nehme mal an, daß er damit sagen wollte, daß Gaius Oppius Nachrichten auswertete und entsprechend dem gewünschten Nutzen umschrieb. Ich nickte, ohne mir Zustimmung oder Ablehnung anmerken zu lassen. Gaius Oppius registrierte es mit Wohlwollen.
»Man behauptet, du seist Druide«, sagte er freundlich. Ich nickte wieder, so, wie ich es bei unseren aristokratischen Druiden gesehen hatte.
Gaius Oppius klatschte dreimal in die Hände. Sofort erschien ein schwarzgelockter Jüngling und verneigte sich vor Gaius Oppius. Vermutlich ein Grieche.
»Olus, bring uns heißen Wein mit Zimt und Muskat.«
Der Jüngling verneigte sich wieder und verschwand. Offenbar mußte der arme Kerl stundenlang im hinteren Teil des Zeltes warten, bis Gaius Oppius in die Hände klatschte.
Wenig später kam er mit einem Bronzekessel heißen Wassers zurück und schüttete einen Teil davon in eine Kanne. Er fügte unverdünnten römischen Wein hinzu, Muskat und Zimt, und verrührte dann alles mit einer Holzkelle. Nachdem er jedem von uns – Wanda, der Sklavin, natürlich nicht – einen Silberbecher gereicht hatte, schickte Gaius Oppius ihn mit einer Handbewegung fort. Wir erhoben unsere Becher, und während Gaius Oppius und Aulus Hirtius ihr »Ave Cäsar« skandierten, begnügte ich mich mit einem schlichten »Carpe diem«, was Gaius Oppius zu einer Frage veranlaßte: »Ist es wahr, daß ihr Druiden die lebendigen Bücher der Kelten seid?«
»Factus est«, erwiderte ich in perfektem Latein, was soviel heißt wie ›so ist es‹ und erneut den Beweis lieferte, daß ich selbst mit römischen Redewendungen vertraut war. Zugegeben, das war Prahlerei. Jetzt lächelte auch Gaius Oppius. Offenbar wirkten Barbaren, die römische Kultur demonstrieren wollten, etwas komisch. Aber Gaius Oppius nahm meine Anpassungsversuche eher als Kompliment. Ich war überhaupt erstaunt über die Atmosphäre, die in diesem Zelt herrschte. Ich hatte mich auf die Begegnung mit eingebildeten, arroganten Römern eingestellt und war nun einigermaßen verblüfft, einem Gelehrten wie Aulus Hirtius gegenüberzustehen. Er legte keinen großen Wert auf äußere Zeichen seines Ranges. Sein ganzer Habitus war der des neugierigen Gelehrten. Es schien fast so, als würde er die
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