Cäsars Druide
Welt nicht in Römer und Nichtrömer unterteilen, sondern in Wissende und Nichtwissende.
»Setz dich doch, Korisios«, bat Aulus Hirtius, als wolle er mich etwas näher betrachten.
Ich reichte Wanda meinen Becher und setzte mich an den Tisch ihm gegenüber. Gaius Oppius blieb wie ein Zeremonienmeister seitlich von uns stehen. Mit sichtbarem Befremden sah er, daß Wanda offenbar hinter meinem Rücken einen Schluck aus meinem Becher trank. Tja, das war mir ziemlich peinlich. »Sie ist meine Vorkosterin«, entgegnete ich halb im Scherz.
»Dann solltest du ihr beibringen, daß sie vor und nicht nach dir kostet«, grinste Gaius Oppius.
»Vielleicht wollen sie im Ernstfall gemeinsam sterben?« schmunzelte Aulus Hirtius. Sie hatten anscheinend längst bemerkt, daß Wanda meine Geliebte war.
»Ich werde sie nachher dafür auspeitschen lassen«, gab ich knapp zurück.
Gaius Oppius lachte. »Hast du denn kein Mitleid? Sie zittert ja schon wie Espenlaub.« Ich drehte mich nicht um, denn ich konnte mir sehr gut vorstellen, wie Wanda dastand, meinen Weinbecher in der Hand, mit einem stolzen und ironischen Gesichtsausdruck.
»Frauen haben keinen Zutritt zu den Offizierszelten«, sagte Gaius Oppius mit leisem Bedauern in der Stimme.
»Sie ist mein linkes Bein«, sagte ich, »ich brauche sie auf Schritt und Tritt.«
Gaius Oppius nickte. »Vielleicht sollten wir eine Ausnahme machen. Ich glaube nicht, daß Cäsar einen einbeinigen Schreiber wünscht.«
Aulus Hirtius nahm einen weiteren Schluck und stellte seinen Becher auf dem Tisch ab. Er wollte zur Sache kommen.
»Korisios, unser Prokonsul Gaius Julius Cäsar hat beschlossen, dem Senat und dem Volk von Rom in periodisch erscheinenden Berichten Rechenschaft über seine Tätigkeit in Gallien abzulegen. Jeden Herbst soll ein Bericht erstellt und nach Rom geschickt werden. Nach Abschluß seines Prokonsulats sollen diese gesammelten Bulletins in Buchform erscheinen, so daß sie auch der Nachwelt erhalten bleiben. Wir wollen in diesen Büchern berichten über das Land jener Stämme, die wir Gallier, ihr aber Kelten nennt. Wir wollen Bericht erstatten über eure Berge und Flüsse, wir wollen Bericht erstatten über eure Sitten und Gebräuche, über eure Götter … Wir wollen Bericht erstatten über die Art und Weise, wie ihr Land bebaut, wie ihr Tiere zähmt, wie ihr Kinder großzieht und unterrichtet …«
Gaius Oppius, dem Aulus Hirtius offenbar unterstellt war, unterbrach ihn und präzisierte: »Wir werden kein wissenschaftliches Werk für die Bibliothek von Alexandria verfassen, sondern einen Rechenschaftsbericht für den römischen Senat. Zu diesem Zweck haben wir dich rufen lassen, Kelte. Du sollst dem Legaten Aulus Hirtius, der für diese Aufgabe freigestellt worden ist, dein Wissen zur Verfügung stellen und ihm bei der Erstellung der Berichte behilflich sein.«
»Wird es Krieg geben in Gallien?« fragte ich.
»Es wird Krieg geben«, antwortete Gaius Oppius sachlich, »so wie es immer Krieg gibt, wenn fremde Stämme an die neuen römischen Provinzgrenzen stoßen.«
»Wenn ihr zur Sicherung euer Provinzgrenzen ständig die Nachbarvölker unterwerfen wollt, dann müßt ihr die ganze Welt unterwerfen, bis Rom an Rom grenzt«, entgegnete ich trocken.
»Eine römische Welt mit römischem Recht wäre nicht die schlechteste von allen«, entgegnete Aulus Hirtius. »Wir vernichten keine Völker und Kulturen, sondern schaffen eine neue Ordnung. Wo die Legion ist, herrscht Frieden, wo die Lex Romana gilt, blüht der Handel. Als Schreiber in Cäsars Schreibkanzlei hast du Anrecht auf ein eigenes Zelt und einen eigenen Burschen. Das Essen mußt du dir nicht selber zubereiten. In den Winterlagern wirst du eine geheizte Unterkunft aus Holz haben.«
»Und ich darf meine Sklavin behalten und stets bei mir haben?«
»Ja«, erwiderte Gaius Oppius, »aber sie soll sich auch wie eine Sklavin benehmen. Sonst ist es den Legionären gegenüber ungerecht. Ihre Konkubinen und unehelichen Kinder leben außerhalb des Lagers.«
Ich schaute kurz zu Wanda rüber, die wieder an meinem Becher nippte. Gaius Oppius und Aulus Hirtius schmunzelten. Offenbar hatte es so ausgesehen, als hätte ich mich nach Wanda umgedreht, um ihre Zustimmung einzuholen.
»Nun gut, Druide, bist du bereit, in Cäsars Schreibkanzlei zu arbeiten?« fragte mich Gaius Oppius. Ich zögerte.
»Ich würde mich freuen, dich in meiner Schreibkanzlei aufzunehmen«, fügte Aulus Hirtius hinzu und lächelte mich freundlich
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