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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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nicht daran gewöhnt, sich so ängstlich und verzagt zu fühlen. Gewöhnlich hatte sie die Kontrolle, konnte reden und die richtigen Leute einschüchtern oder umgarnen, bis die Dinge den gewünschten Verlauf nahmen. Die wenigen Gelegenheiten, bei denen sie das unerbittliche Universum überwältigt hatte, machten ihr schwer zu schaffen: ein Erdbeben in Bengalen, das sie als kleines Mädchen erlebt hatte, ein Unwetter in Ägypten, das sie und Arjun ohne Lebensmittelnachschub in einem Hotel festgesetzt hatte, der Tod ihres Sohnes. Diese Erlebnisse hatten ihre dünkelhafte Selbsttäuschung, alles sei sicher, unterlaufen. Noch Wochen danach hatte sie sich im Bett zusammengerollt, die Finger zu Krallen gekrümmt und unter Albträumen gelitten.
    Dies hier war schlimmer. Bisher hatte sie sich mit der Gewissheit trösten können, dass das Universum keine Absichten verfolgte. Alle schrecklichen Dinge geschahen zufällig und waren willkürlichen, ziellosen Kräften unterworfen. Der Untergang der Arboghast war etwas ganz anderes. Dies war absichtlich und auf unmenschliche Weise geschehen. Es war, als hätte man in das Antlitz Gottes geblickt und keinerlei Mitgefühl gefunden.
    Zitternd hob sie das Handterminal. Arjun meldete sich fast sofort. Das vorgereckte Kinn und der weiche Blick verrieten ihr, dass er bereits irgendeine Version des Ereignisses gesehen hatte. Seine Sorge galt jedoch nicht dem Schicksal der Menschheit, sondern ihr. Sie versuchte zu lächeln, aber das ging über ihre Kräfte. Die Tränen liefen ihr über die Wangen. Arjun seufzte leise und schlug die Augen nieder.
    »Ich liebe dich sehr«, sagte Avasarala. »Dich zu kennen hilft mir, das Unerträgliche zu tragen.«
    Arjun grinste. Die Fältchen standen ihm sehr gut. Im Alter sah er sogar noch besser aus als früher. Als hätte der auf so komische Weise ernste Junge, der sich nachts an ihr Fenster geschlichen und ihr Gedichte vorgelesen hatte, nur darauf gewartet, sich in diesen Mann zu verwandeln.
    »Ich liebe dich, ich habe dich immer geliebt, und wenn wir in einem neuen Leben wiedergeboren werden, dann liebe ich dich auch dort.«
    Avasarala schluchzte, wischte sich die Augen mit dem Handrücken aus und nickte.
    »Also gut«, sagte sie.
    »Zurück an die Arbeit?«
    »Zurück an die Arbeit. Ich komme vielleicht spät nach Hause.«
    »Ich bin da. Du kannst mich wecken.«
    Sie schwiegen einen Augenblick, dann trennte sie die Verbindung. Admiral Souther hatte sich noch nicht gemeldet. Errinwright hatte sich nicht gemeldet. Avasaralas Gedanken sprangen umher wie ein Terrier, der einen Truppentransport attackierte. Sie richtete sich auf, überwand sich und setzte einen Fuß vor den anderen. Die einfache Tätigkeit des Gehens schien ihre Gedanken zu klären. Vor der Tür standen kleine Elektrokarren bereit, die sie im Handumdrehen in ihr Büro befördern konnten, doch sie verzichtete darauf, und als sie ihren Arbeitsplatz erreichte, war sie beinahe wieder ruhig.
    Bobbie hockte an ihrem Schreibtisch. Neben dieser großen Frau wirkten die Möbel wie die Einrichtung einer Grundschule. Soren war irgendwo unterwegs, was ihr ganz gelegen kam. Er hatte keine militärische Ausbildung.
    »Nehmen wir an, Sie haben sich verschanzt, und eine große Bedrohung nähert sich«, begann Avasarala und hockte sich auf die Kante von Sorens Schreibtisch. »Nehmen wir an, Sie sind auf einem Mond und jemand anders schleudert einen Kometen auf Sie. Eine große Bedrohung, verstehen Sie?«
    Bobbie erwiderte ihren Blick und schien vorübergehend verwirrt, dann zuckte sie mit den Achseln und spielte mit.
    »Also gut«, sagte die Marinesoldatin.
    »Warum wählen Sie gerade diesen Moment, um einen Streit mit Ihren Nachbarn anzufangen? Haben Sie einfach nur Angst und schlagen um sich? Glauben Sie, die Nachbarn hätten den Felsbrocken geschmissen? Sind Sie wirklich so dumm?«
    »Wir reden über die Venus und die Kämpfe im Jupitersystem«, sagte Bobbie.
    »Ja, das war wohl kaum zu übersehen«, gab Avasarala zu. »Also, warum tun Sie das?«
    Bobbie lehnte sich auf dem Stuhl zurück, das Plastik knarrte unter ihr. Die große Frau kniff die Augen zusammen, öffnete den Mund und schloss ihn wieder, runzelte die Stirn, setzte noch einmal an.
    »Ich konsolidiere meine Macht«, sagte Bobbie. »Nutze ich meine Ressourcen, um den Kometen aufzuhalten, dann verliere ich, sobald die Bedrohung verschwunden ist. Der Gegner erwischt mich mit heruntergelassenen Hosen. Peng. Wenn ich ihm zuerst in den Arsch trete,

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