Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
Vom Netzwerk:
gewinne ich, nachdem die Sache ausgestanden ist.«
    »Aber wenn Sie zusammenarbeiten …«
    »Dazu müssten Sie dem anderen Kerl erst einmal trauen«, entgegnete Bobbie kopfschüttelnd.
    »Eine Million Tonnen Eis rasen auf Sie zu und werden Sie beide töten. Warum, zum Teufel, sollten Sie dem anderen nicht trauen?«
    »Kommt ganz drauf an«, meinte Bobbie. »Ist er ein Erder? Wir haben zwei bedeutende Militärmächte im System, dazu noch das, was die Gürtler aufbieten können. Also drei Seiten, die eine Menge Hühnchen miteinander zu rupfen haben. Wenn das, was auf der Venus passieren soll, tatsächlich passiert, will irgendjemand alle Karten in der Hand halten.«
    »Und wenn beide Seiten – Erde und Mars – die gleichen Überlegungen anstellen, verwenden wir unsere ganze Kraft darauf, uns jetzt schon auf den übernächsten Krieg vorzubereiten.«
    »Genau«, stimmte Bobbie zu. »Und dadurch verlieren wir alle zusammen.«

24 Prax
    Prax saß in seiner Kabine. Für einen Schlafplatz auf einem Schiff war sie recht groß. Sogar geräumig, wenngleich immer noch kleiner als seine Schlafkammer auf Ganymed. Er saß auf der mit Gel gefüllten Matratze, die Beschleunigung drückte ihn nieder und ließ Arme und Beine schwerer erscheinen, als sie es tatsächlich waren. Er fragte sich, ob dieses Gefühl, auf einmal mehr zu wiegen, oder, genauer gesagt, die unberechenbaren Wechsel während einer Reise im Weltraum, irgendeine evolutionäre Reaktion auslösten, die sich vor allem in Form von Müdigkeit zeigte. Das Gefühl, zu Boden oder ins Bett gezogen zu werden, war so übermächtig wie die abgrundtiefe Müdigkeit, die einen auf die Idee bringen wollte, alles käme in Ordnung und sei wieder gut, wenn man nur noch ein wenig schlafen könne.
    »Deine Tochter ist wahrscheinlich tot«, sagte er laut und wartete auf die Reaktion seines Körpers. »Mei ist wahrscheinlich tot.«
    Dieses Mal schluchzte er nicht, also machte er wohl Fortschritte.
    Ganymed lag anderthalb Tage hinter ihnen und war bereits zu weit entfernt, um noch mit bloßem Auge entdeckt zu werden. Jupiter war eine trübe Scheibe in der Größe des kleinen Fingernagels und reflektierte das Licht der Sonne, die kaum mehr als ein sehr heller Stern war. Im Kopf wusste er, dass er in Richtung Sonne stürzte, während er sich vom Jupitersystem entfernte und zum Gürtel flog. In einer Woche würde die Sonne doppelt so groß und immer noch unbedeutend sein. In diesem gewaltigen Raum, bei Entfernungen und Geschwindigkeiten, die weit über das menschliche Fassungsvermögen hinausgingen, kam es ihm so vor, als sei überhaupt nichts wichtig. Er war nun einmal nicht dabei gewesen, als Gott die Berge erschaffen hatte, diejenigen auf der Erde, die auf Ganymed oder weiter draußen in der Dunkelheit. Er saß in einer winzigen Kiste aus Metall und Keramik, die Materie in Energie umwandelte und ein halbes Dutzend Primaten durch ein Vakuum schleuderte, das größer war als Millionen Ozeane. Wie konnte im Vergleich dazu irgendetwas wichtig sein?
    »Deine Tochter ist wahrscheinlich tot«, sagte er noch einmal, und dieses Mal blieben ihm die Worte im Hals stecken und würgten ihn.
    Es hatte wohl mit dem Gefühl zu tun, auf einmal in Sicherheit zu sein. Auf Ganymed hatte ihn die Angst betäubt. Angst, Unterernährung, die Routine und die Fähigkeit, sich jederzeit bewegen zu können und etwas zu tun, selbst wenn es völlig sinnlos war. Noch einmal die Anschlagtafeln kontrollieren, beim Wachdienst in der Schlange warten, durch Flure trotten und zählen, wie viele neue Kugellöcher es gab.
    Auf der Rosinante musste er sich beruhigen, er musste innehalten. Hier hatte er nichts zu tun, außer zu warten, während sie der Sonne entgegen in Richtung Tycho stürzten. Er konnte sich nicht ablenken. Es gab keine Station, nicht einmal eine verletzte und sterbende, durch die er streifen konnte. Nur die Kabine, sein Handterminal, ein paar Overalls, die ihm eine halbe Nummer zu groß waren. Eine kleine Schachtel mit billigen Toilettenartikeln. Das war alles, was er noch hatte. Außerdem natürlich genügend Essen und sauberes Wasser, damit sein Gehirn wieder zu arbeiten begann.
    Mit jeder Stunde, die verging, kam er ein Stückchen weiter zu sich. Erst als sich sein Zustand besserte, wurde ihm klar, wie schlimm sein Körper und sein Geist gelitten hatten. Oft hatte er das Gefühl, sein Verstand arbeitete wieder völlig normal, nur um kurz danach festzustellen, dass er immer noch nicht völlig gesund

Weitere Kostenlose Bücher