Calibans Krieg
wir sind schon lange nicht mehr die Crew, die wir damals waren. Jetzt sind wir vier Leute, die für niemanden arbeiten …«
Prax räusperte sich, worauf Holden entschuldigend nickte. »Jedenfalls nicht langfristig. Es gibt keine Firma und keine Regierung, die mir irgendeine Autorität über diese Crew verleiht. Wir sind nur vier Leute, denen ein Schiff gehört, das uns der Mars bei nächster Gelegenheit wahrscheinlich wieder abnehmen wird.«
»Wir haben es rechtmäßig als herrenloses Gut geborgen«, erklärte Alex.
»Hoffentlich finden die Marsianer das überzeugend, wenn du es ihnen mal erklären musst«, erwiderte Holden. »Aber das ändert nichts an meiner Frage: Wer sind wir?«
Naomi nickte als Erste. »Ich verstehe, worauf du hinauswillst. Wir haben viele solcher Fragen einfach in der Schwebe gelassen, weil wir seit dem Untergang der Canterbury vollauf beschäftigt waren.«
»Und jetzt«, stimmte Holden ihr zu, »ist der richtige Augenblick gekommen, uns über diese Dinge Gedanken zu machen. Wir haben einen Vertrag mit Prax und suchen seine kleine Tochter. Er bezahlt uns, damit wir das Schiff betreiben können. Aber wer gibt uns den nächsten Auftrag, nachdem wir Mei gefunden haben? Wollen wir uns überhaupt um einen neuen Auftrag bemühen? Oder verkaufen wir die Rosinante an die AAP und setzen uns auf Titan zur Ruhe? Darüber sollten wir reden.«
Niemand sagte etwas. Prax stieß sich von der Theke ab und kramte in den Schränken herum. Nach ein oder zwei Minuten zog er eine Packung Schokoladenpudding hervor. »Darf ich den zubereiten?«
Naomi lachte, und Alex sagte: »Tun Sie sich keinen Zwang an, Doc.«
Prax suchte eine Schale und mischte die Zutaten. So seltsam es war, da der Botaniker sich mit etwas anderem beschäftigte, hatte die Crew auf einmal das Gefühl, unter sich zu sein. Der Außenseiter war draußen, und sie konnten ungestört miteinander reden. Holden fragte sich, ob Prax es absichtlich tat.
Amos schlürfte den letzten Schluck Kaffee. »Also hast du diese Sitzung einberufen, Käpt’n. Schwebt dir etwas Bestimmtes vor?«
»Ja.« Holden überlegte einen Moment. »Ja, ich habe eine Idee.«
Naomi legte ihm eine Hand auf den Arm. »Wir hören zu.«
»Ich glaube, wir sollten heiraten.« Er zwinkerte Naomi zu. »Damit alles hübsch legal ist.«
»Warte mal.« Ihre Miene zeigte viel mehr Entsetzen, als Holden gehofft hatte.
»Nein, das war ein Witz«, fuhr er eilig fort. »Aber nur zur Hälfte. Ich dachte gerade an meine Eltern. Sie haben ihre Partnerschaft wegen der Farm begründet. Sie waren alle Freunde und wollten in Montana eine Farm kaufen, also haben sie eine formelle Gemeinschaft gebildet, die es sich leisten konnte. Das hatte keine sexuellen Hintergründe. Vater Tom und Vater Caesar waren sowieso schon ein monogames Paar. Mutter Tarama war Single. Die Väter Joseph und Anton und die Mütter Elise und Sophie hatten eine Viererbeziehung. Vater Dimitri kam einen Monat später hinzu, als seine Beziehung mit Tarama begann. Sie haben ihre Partnerschaft eintragen lassen, um die Farm gemeinsam besitzen zu können. Wenn sie alle für jeweils eigene Kinder Steuern bezahlt hätten, dann hätten sie es sich nicht leisten können, also haben sie mich als Gruppe bekommen.«
»Die Erde ist schon ein ziemlich verrückter Ort«, meinte Alex.
»Acht Eltern und ein Baby, das sieht man nicht gerade häufig«, stimmte Amos zu.
»Aber wegen der Babysteuern ist es wirtschaftlich sinnvoll«, erklärte Holden. »Völlig abwegig ist es also auch nicht.«
»Was ist mit den Leuten, die Kinder zeugen, ohne die Steuern zu bezahlen?«, fragte Alex.
»Damit kommt man praktisch nicht durch«, entgegnete Holden. »Es sei denn, man geht nie zum Arzt und kauft nur auf dem Schwarzmarkt ein.«
Amos und Naomi wechselten einen Blick, und Holden tat so, als habe er es nicht bemerkt.
»Na gut«, fuhr er fort. »Vergesst die Babys. Ich dachte eher an eine Firmengründung. Wenn wir zusammenbleiben wollen, sollten wir die Sache auf eine ordentliche Grundlage stellen. Wir können auf einer unabhängigen äußeren Station wie Ceres oder Europa einen Gründungsvertrag aufsetzen und uns als gemeinsame Gesellschafter der Firma eintragen lassen.«
»Was genau soll unsere kleine Firma denn tun?«, fragte Naomi.
»Genau«, antwortete Holden triumphierend.
»Äh«, machte Amos.
»Nein, ich meinte, genau das ist meine Frage«, fuhr Holden fort. »Wer sind wir? Was wollen wir tun? Wenn dieser Auftrag für Prax erledigt ist,
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