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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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die Luke zu.
    »Warum schießt keiner?«, fragte Prax. Wie ein verlorenes Kind war er hinter Naomi auf das Operationsdeck gekommen. Jetzt saß er auf einer der vielen freien Druckliegen und starrte ebenso fasziniert wie ängstlich den Hauptbildschirm an.
    Das große taktische Display zeigte eine verwirrende Zahl roter und grüner Punkte. Dies waren die Schlachtschiffe, die in einem Orbit um Io geparkt waren. Die Rosinante hatte alle irdischen Schiffe grün und die marsianischen Einheiten rot gefärbt. Aus einer im Grunde höchst komplexen Situation war so etwas scheinbar sehr Einfaches entstanden. Holden wusste, dass die Freund-Feind-Erkennung problematisch würde, sobald jemand zu schießen begann.
    Im Augenblick schwebten die Einheiten stumm über Io und deuteten die Gefahr, die von ihnen ausging, nur an. Holden dachte an die Krokodile, die er als Kind im Zoo gesehen hatte. Riesige gepanzerte Wesen voller Zähne, die wie Baumstämme an der Wasseroberfläche trieben. Nicht einmal die Augen hatten geblinzelt. Sobald jemand Futter hineinwarf, explodierten sie förmlich und schossen mit erschreckender Geschwindigkeit aus dem Wasser.
    Wir warten darauf, dass der erste Blutstropfen ins Wasser fällt.
    »Warum schießt niemand?«, fragte Prax noch einmal.
    »He, Doc.« Amos lümmelte neben Prax auf einer anderen Druckliege. Er strahlte eine gelassene Faulheit aus, die Holden gern selbst empfunden hätte. »Wissen Sie noch, wie wir auf Ganymed vor diesen bewaffneten Leuten gestanden haben? Dort hat niemand geschossen, bis Sie sich entschlossen haben, die Waffe zu heben.«
    Prax erbleichte. Holden nahm an, dass er sich an die blutigen Überbleibsel des Kampfes erinnerte. »Ja«, gab Prax zu. »Ich erinnere mich.«
    »So ist das auch hier«, fuhr Amos fort. »Nur dass noch niemand die Waffe angelegt hat.«
    Prax nickte. »In Ordnung.«
    Wenn tatsächlich jemand das Pulverfass zur Explosion brachte, bestand das größte Problem darin herauszufinden, wer auf wen schoss. »Avasarala, haben Sie schon etwas von der politischen Ebene gehört? Auf dieser Anzeige sehe ich viele grüne Punkte, aber wie viele davon gehören wirklich zu uns?«
    Avasarala zuckte mit den Achseln und hörte weiter dem Funkverkehr zwischen den Schiffen zu.
    »Naomi?«, sagte Holden. »Hast du eine Vorstellung?«
    »Bisher visiert Nguyens Flotte nur marsianische Einheiten an«, erwiderte sie. Sie markierte die Schiffe auf der taktischen Anzeige, damit alle anderen es sehen konnten. »Die marsianischen Schiffe haben umgekehrt ihn anvisiert. Southers Schiffe tun gar nichts. Souther hat noch nicht einmal die Torpedorohre geöffnet. Ich vermute, er hofft immer noch auf eine friedliche Lösung.«
    »Schick doch bitte dem Nachrichtenoffizier auf Southers Schiff einen schönen Gruß«, sagte Holden zu Naomi. »Bitte ihn, uns ein paar neue Daten für die Freund-Feind-Erkennung zu senden, ehe hier die größte Katastrophe des Sonnensystems ausbricht.«
    »In Ordnung.« Naomi setzte den Funkspruch ab.
    »Amos, alle sollen ihre Anzüge anlegen«, fuhr Holden fort. »Überprüfe die Helme, ehe du nach unten gehst. Ich hoffe, es gibt keine Schießerei, aber meine Hoffnungen decken sich fast nie mit dem tatsächlich Verlauf, den die Dinge nehmen.«
    »Alles klar.« Amos stand von seiner Liege auf und polterte auf den Magnetstiefeln auf dem Deck umher, während er die Helmversiegelung der anderen überprüfte.
    »Test, Test, Test«, sagte Holden über den Schiffskanal. Nacheinander meldeten sich die anderen. Solange nicht jemand mit einer höheren Besoldungsstufe entschied, wie es weitergehen sollte, konnte er nicht mehr viel tun.
    »Warten Sie mal.« Avasarala drückte auf einen Knopf auf der Konsole und leitete einen externen Kanal auf ihre Helmempfänger um.
    »… ohne weitere Vorwarnung gegen Ziele auf dem Mars abfeuern. Wir haben eine feuerbereite Raketenbatterie mit tödlichen Biowaffen. Sie haben eine Stunde, den Orbit zu verlassen, sonst werden wir die Waffen ohne weitere Vorwarnung gegen Ziele auf dem Mars abfeuern. Wir haben eine …«
    Avasarala schaltete den Kanal wieder ab.
    »Anscheinend mischt sich jetzt noch eine dritte Partei ein«, meinte Amos.
    »Nein«, berichtigte Avasarala ihn. »Das ist Nguyen. Er ist in Unterzahl und hat seinen Mao-Kumpanen auf der Oberfläche den Befehl gegeben, uns mit dieser Drohung zu verscheuchen. Er wird … oh, verdammt.«
    Sie drückte auf das Pult, worauf im Funk eine neue Stimme zu hören war. Dieses Mal war es eine Frau

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