Calibans Krieg

Nachricht von hoher Priorität. Sie aktivierte sie, und auf ihrem Terminal und für alle anderen auf dem Operationsdeck wurde Souther sichtbar.
    »Hier ist Admiral Souther. Hiermit übernehme ich das Kommando über …«
    »Na gut«, sagte Naomi. »Jetzt brauche ich wieder meinen normalen Bildschirm. Ich habe hier zu arbeiten.«
    »Entschuldigung.« Avasarala tippte auf der Konsole etwas ein. »Falscher Knopf.«
    »… dieses Geschwader. Admiral Nguyen ist seines Kommandos enthoben. Alle Feindseligkeiten werden …«
    Avasarala schaltete den Feed auf ihren eigenen Bildschirm und wechselte dabei auch den Kanal. Nguyen war puterrot. Er trug seine Uniform wie eine Trophäe.
    »… illegale und beispiellose Anmaßung. Admiral Souther ist in Gewahrsam zu nehmen, bis …«
    Fünf neue Botschaften gingen fast gleichzeitig ein, alle waren mit Namen und Kürzel des jeweiligen Transponders versehen. Sie ignorierte sie alle und suchte den Sendeknopf. Als er aktiv war, blickte sie in die Kamera.
    »Hier ist die Stellvertretende Untergeneralsekretärin Chrisjen Avasarala. Ich repräsentiere die rechtmäßige Zivilregierung der Erde«, begann sie. »Von Rechts wegen steht das Kommando über diese Streitkräfte Admiral Souther zu. Wer seine Befehle zurückweist oder ignoriert, muss mit Bestrafung rechnen. Ich wiederhole, Admiral Souther ist der rechtmäßige Kommandant der …«
    Naomi gab ein leises Grunzen von sich. Avasarala unterbrach die Sendung und drehte sich um.
    »Oh«, sagte Holden. »Das war übel.«
    »Was denn?«, fragte Avasarala. »Was war übel?«
    »Ein irdisches Schiff hat gerade drei Torpedotreffer abbekommen.«
    »Ist das viel?«
    »Die Nahkampfkanonen konnten sie nicht abhalten«, erklärte Naomi. »Die UN-Torpedos haben Transpondercodes, die sie als freundlich kennzeichnen, also fliegen sie einfach durch. Normalerweise rechnet ja niemand damit, dass ein UN-Schiff auf seine Kollegen schießt.«
    »Drei sind viele.« Holden schnallte sich auf die Druckliege. Sie sah nicht, dass er irgendwelche Kontrollen berührte, aber das hatte er offensichtlich getan, denn seine nächste Durchsage kam nicht nur aus den Lautsprechern im Helm, sondern hallte durch das ganze Schiff. »Es geht los. Ich zähle bis zwanzig, und bis dahin seid ihr alle an einem sicheren Ort angeschnallt.«
    »Verstanden«, bestätigte Bobbie, wo auch immer sie gerade war.
    »Ich habe gerade den Doc angeschnallt und glücklich gemacht«, erklärte Amos. »Bin jetzt unterwegs in den Maschinenraum.«
    »Fliegen wir etwa da rein?«, fragte Alex.
    »Da draußen stehen ungefähr fünfunddreißig Kampfschiffe, die allesamt weitaus größer sind als wir. Wie wäre es, wenn wir einfach nur dafür sorgen, dass uns keines davon zersiebt?«
    »Ja, Sir«, bestätigte Alex auf dem Pilotendeck. In diesem Moment waren Demokratie und Abstimmungen vergessen. Das war gut so. Wenigstens behielt Holden die Kontrolle, wenn er das Kommando innehatte.
    »Zwei schnelle Objekte im Anflug«, meldete Naomi. »Irgendjemand hält uns immer noch für die Schurken.«
    »Ich schiebe das auf Avasarala«, erklärte Bobbie.
    Ehe Avasarala lachen konnte, nahm die Schwerkraft zu, und sie wurde zur Seite geworfen, als die Rosinante ein Ausweichmanöver flog. Ihre Liege verlagerte sich knarrend. Das Schockgel umfing sie und gab sie wieder frei.
    »Alex?«
    »Bin dabei«, erwiderte der Pilot. »Jetzt könnte ich einen Waffenoffizier brauchen.«
    »Haben wir denn genug Zeit, sie wohlbehalten hierherzuholen?«
    »Nein«, antwortete Alex. »Da kommen noch drei.«
    »Ich kann die Nahkampfkontrolle auch von hier aus übernehmen«, schaltete sich Bobbie ein. »Das ist zwar nicht so gut wie am Pult, aber wenigstens kann ich die anderen etwas entlasten.«
    »Naomi, gib dem Sergeant die Nahkampfbatterien.«
    »Nahkampfbatterien sind umgeschaltet. Sie sind dran, Bobbie.«
    »Bin dabei«, antwortete die Marinesoldatin.
    Avasaralas Bildschirm flackerte und zeigte eine Vielzahl eingehender Nachrichten. Sie überflog sie. Die Kennedy verkündete, Southers Kommando sei illegal. Der erste Offizier der Triton meldete, der Kapitän sei des Kommandos enthoben, und bat Souther um Befehle. Der marsianische Zerstörer Iani Chaos versuchte, Avasarala zu erreichen und wollte wissen, auf welche irdischen Schiffe er schießen durfte.
    Sie rief das taktische Display auf. Rote und grüne Kreise markierten die Flottenteile, winzige silberne Fäden zeigten die Geschossgarben der Nahkampfbatterien oder die Flugbahnen