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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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seinem Raum. Sie dachte daran, ihn zu wecken. Sie mochte den geselligen Piloten. Er war auf eine Weise aufrichtig, die sie seit ihrem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst nicht mehr bei einem Menschen erlebt hatte. Andererseits war ihr klar, dass sie, wenn sie nachts um drei Uhr im Bademantel einen Mann weckte, Signale aussandte, die sie nicht senden wollte. Sie wollte nicht erklären müssen, dass sie einfach nur jemanden zum Reden brauchte. So fuhr sie am Mannschaftsdeck vorbei.
    Amos saß mit dem Rücken zu ihr an einem Pult in der Operationszentrale. Er hatte offenbar die Nachtwache übernommen. Um ihn nicht zu erschrecken, räusperte sie sich. Er rührte sich nicht und reagierte nicht, also ging sie zur Com-Station. Als sie ihn von dort aus betrachtete, erkannte sie, dass er die Augen geschlossen hatte und tief und gleichmäßig atmete. Wer auf der Wache schlief, musste auf einem Schiff der marsianischen Raummarine mindestens mit einem Disziplinarverfahren des Kapitäns rechnen. Anscheinend ließ Holden auf diesem Schiff die Zügel etwas schleifen.
    Bobbie aktivierte die Konsole und suchte die nächste Relaisstation für den Richtfunkverkehr. Zuerst rief sie ihren Vater an. »Hallo, Papa. Ich bin nicht sicher, ob du mir überhaupt antworten solltest. Die Situation hier ist heikel und ändert sich rasch. Aber im Laufe der nächsten Tage könntest du viele verrückte Dinge hören, und es ist möglich, dass auch ich erwähnt werde. Ich will dir einfach nur sagen, dass ich euch alle und den Mars liebe. Alles, was ich getan habe, sollte dazu dienen, euch und meine Heimat zu beschützen. Vielleicht bin ich etwas abgeirrt, weil alles so kompliziert und schwer zu durchschauen ist. Aber ich glaube, ich sehe jetzt einen klaren Weg vor mir, den ich einschlagen will. Ich liebe dich und Mom. Sag den Jungs, sie sollen sich benehmen.« Ehe sie die Aufzeichnung beendete, streckte sie die Hand zum Bildschirm aus und berührte ihn kurz. »Mach’s gut, Dad.«
    Sie drückte auf den Sendeknopf, hatte aber das seltsame Gefühl, noch nicht fertig zu sein. Abgesehen von ihrer Familie saßen allerdings alle, die ihr in den letzten drei Monaten zu helfen versucht hatten, auf demselben Schiff wie sie, also war das Gefühl eigentlich nicht nachvollziehbar.
    Andererseits traf das nicht zu, weil eben doch nicht alle auf diesem Schiff waren.
    Bobbie wählte aus dem Gedächtnis eine andere Nummer und sagte: »Hallo, Captain Martens. Ich bin es. Ich glaube, ich weiß jetzt, was Sie mir vor Augen führen wollten. Vor einiger Zeit war ich noch nicht dazu bereit, aber ich habe es mir gemerkt, und deshalb haben Sie Ihre Zeit nicht verschwendet. Ich habe es jetzt verstanden. Ich weiß, dass es nicht meine Schuld war. Mir ist klar, dass ich nur zur falschen Zeit am falschen Ort war. Jetzt kehre ich zum Anfang zurück, gerade weil ich es verstanden habe. Ich bin nicht zornig und nicht verletzt, ich mache mir auch keine Vorwürfe. Ich halte es einfach nur für meine Pflicht, es zu Ende zu bringen.«
    Als sie die Nachricht abschickte, löste sich etwas in ihrer Brust. All die losen Fäden waren verknüpft, und nun konnte sie nach Io fliegen und ohne Reue das tun, was nötig war. Sie seufzte schwer und rutschte auf der Druckliege nach unten, bis sie fast waagerecht lag. Auf einmal war sie hundemüde und fühlte sich, als könne sie eine ganze Woche durchschlafen. Sie fragte sich, ob jemand wütend wurde, wenn sie einfach in der Operationszentrale schlief, statt mit dem Aufzug wieder nach unten zu fahren.
    Sie erinnerte sich nicht, dass sie eingeschlafen war, doch als sie zu sich kam, lag sie ausgestreckt auf der Druckliege vor der Com-Station, und neben ihrem Kopf hatte sich eine kleine Speichelpfütze gesammelt. Zu ihrer Erleichterung war der Morgenrock an Ort und Stelle geblieben, sodass sie nicht jedem, der vorbeigekommen war, ihre Reize offenbart hatte.
    »Gunny?« Holdens Tonfall verriet ihr, dass er sie nicht zum ersten Mal anzusprechen versuchte.
    »Tut mir leid, Entschuldigung.« Sie richtete sich auf und raffte den Morgenmantel an der Taille enger zusammen. »Letzte Nacht habe ich ein paar Nachrichten abgeschickt und war wohl müder, als ich selbst gedacht habe.«
    »Ja«, beruhigte Holden sie. »Kein Problem. Sie können schlafen, wo immer Sie wollen.«
    »Gut«, antwortete Bobbie, die schon zur Leiter unterwegs war. »Aber jetzt gehe ich erst mal runter und dusche, damit ich wieder wie ein Mensch aussehe.«
    Holden nickte und setzte ein

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