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Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen

Titel: Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Kelly
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häuslichen Tätigkeiten aufgezwungen hatte. Er hatte mich auch nicht getröstet, als ich das Wissenschaftliche Kompendium hausfraulicher Tätigkeiten ausgepackt hatte. Er musste von Anfang an gewusst haben, dass ein Leben als Wissenschaftlerin nichts für mich war, dass die häusliche Falle ein für alle Mal zugeklappt war. Ich brach in Tränen aus.
    »Du meine Güte, was ist denn los, mein Mädchen?« Mr. O’Flanagan tätschelte mir unbeholfen den Rücken. »Ist ja gut, ist ja gut. Ich bring dich jetzt heim zu deiner Ma.«
    »Nein, danke, Mr. O’Flanagan. Mir geht’s gut«, schluchzte ich.
    »Sicher? So siehst du nicht aus.« Seine Miene verdunkelte sich. »War vielleicht … jemand … hinter dir her?«
    »Nein, nein«, heulte ich, »ich muss nur dringend zu meinem Großvater.« Aber Mr. O’Flanagan sah nicht überzeugt aus. Ich zog mein Taschentuch aus der Schürze und weinte es in Sekunden nass. Ich konnte einfach nicht aufhören.
    »Sieh mal hier«, sagte er und reichte mir sein eigenes Taschentuch. »Du siehst so aus, als könntest du es besser brauchen als ich. Behalt’s ruhig. Und jetzt gehen wir, ich bring dich zu deiner Ma.«
    Ich sah, dass Mr. O’Flanagan mich nicht in Ruhe lassen würde, solange ich mich nicht beruhigte. Also putzte ich mir noch einmal die Nase und schaffte es einigermaßen, mich zusammenzureißen.
    »Schon gut«, sagte ich schniefend. »Ich geh jetzt nach Hause. Es ist alles in Ordnung, wirklich. Vielen Dank. Auf Wiedersehen.«
    Mein Großvater hatte mir Mr. Darwins Buch zu lesen gegeben. Er hatte mir die Möglichkeit geschenkt, ein anderes Leben kennenzulernen. Aber all das spielte keine Rolle mehr. Für mich gab es nur noch eins – das Wissenschaftliche Kompendium hausfraulicher Tätigkeiten . Ich war blind gewesen, eine lächerliche Gestalt. Bald würde ein neues Jahrhundert beginnen, doch in meinem eigenen kleinen Leben würde sich gar nichts ändern. Mein eigenes Leben – so klein. Besser, ich gewöhnte mich gleich daran. Wieder brach ich in Tränen aus, wie aus einem Springbrunnen schossen sie hervor, und eine Flut aus Rotz und Tränen tränkte nun auch Mr. O’Flanagans Taschentuch. Nur eine einzige Frage für mein Notizbuch war noch offen, bevor ich es für immer schließen würde, und die betraf das Telegramm: Ja? Oder nein? Die Frage würde mein Großvater mir beantworten müssen. Ich würde ihn dazu zwingen. So viel schuldete er mir immerhin.
    Mit dem letzten trockenen Zipfel von Mr. O’Flanagans Taschentuch rieb ich mir kräftig übers Gesicht, bevor ich einen Blick über die Schulter warf. Da war er, vielleicht fünfzig Schritt hinter mir, und gab sich allen Anschein, mir nicht zu folgen. Wenigstens irgendjemand, dem ich nicht egal war.
    Er begleitete mich bis zu unserer Einfahrt, erst dann machte er kehrt. Ich gab mir größte Mühe, mich zu sammeln, um einem weiteren Verhör zu entgehen.
    Meine Mutter war noch immer mit Mrs. Purtle im Salon und schenkte gerade Tee ein. Viola trug ein Silbertablett mit einem Zitronenkuchen herein; sie hatte sich extra eine frische weiße Schürze umgebunden. Mr. Fleming saß auf einem zierlichen Stuhl, die Posttasche zu seinen Füßen, und balancierte eine unserer guten Teetassen auf dem Knie. Er sah aus, als hätte er sich dauerhaft eingenistet und würde nicht weichen, bevor er wusste, was in dem einzigen Telegramm aus Washington stand, das er je zugestellt hatte.
    Meine Mutter sah auf. »Calpurnia, was ist denn nur los? Hast du deinen Großvater gefunden?«
    »Nichts ist los«, sagte ich ausdruckslos. »Und Großvater habe ich nicht gefunden.«
    »Entschuldigen Sie, Ma’am«, sagte Viola, »ich glaube, Captain Tate arbeitet hinten im Schuppen.« Viola weigerte sich hartnäckig, den Schuppen »Laboratorium« zu nennen oder »die früheren Sklavenquartiere«.
    Im Schuppen hinten? Im Laboratorium?
    Mutter machte ein nachdenkliches Gesicht. »Ich hätte schwören können, er ist zum Fluss gegangen. Calpurnia, bitte geh und hol ihn. Wir können Mr. Fleming nicht den ganzen Tag lang warten lassen.«
    »Schon gut, Ma’am«, sagte er und schob seine Teetasse ein winziges Stückchen näher an die Teekanne heran. »Schon gut.«
    Nicht am Fluss?
    »Mögen Sie vielleicht noch etwas Tee, Mr. Fleming?«
    »Oh, danke schön, Ma’am, ja, vielleicht.«
    Er war nicht ohne mich am Fluss beim Botanisieren. Er war ohne mich im Laboratorium und arbeitete.
    »Calpurnia? Hast du mich gehört? Geh und hol ihn. Mrs. Purtle, Sie müssen unbedingt von

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