Camel Club 01 - Die Wächter
Regal enthielt ordentlich gestapelte Kladden und Notizbücher, verschlossene Metallkästen und zahlreiche, mit Klebeband verschlossene Kartons. Während Stone die Kladden und Notizbücher durchsah, beschäftigte Reuben ein Gedanke. »Wieso verwahrst du das ganze Zeug nicht in deinem Häuschen?«
»Hier gibt’s eine Alarmanlage. Mein Haus wird bloß von Toten bewacht.«
»Und wie kannst du sicher sein, dass in deiner Abwesenheit nicht der gute alte Douglas ins Kellergewölbe steigt und in deinem Krempel wühlt?«
Stone setzte das Durchsehen der Kladden fort, als er Reuben antwortete. »Ich hab ihm eingeredet, die Kammer wäre durch eine Falle geschützt und außer mir könnte niemand sie öffnen, ohne augenblicklich den Tod zu finden.«
»Und du meinst, er hat dir geglaubt?«
»Das spielt im Grunde keine Rolle. Ihm geht jeder Mut ab, also wird er nie ein Risiko auf sich nehmen. Außerdem hat Caleb ihm auf meine Anregung hin ein paar düstere Andeutungen gemacht, ich wäre früher ein verrückter Mörder gewesen und nur wegen eines Verfahrensfehlers aus der forensischen Klinik für geistig kranke Straftäter entlassen worden. Ich glaube, das ist der Grund, weshalb er mich jedes Mal in die Arme schließt, wenn er mich sieht. Entweder will er schön Wetter machen, oder er tastet mich nach Waffen ab… Ah, da haben wir ’s ja.«
Stone zog eine alte, in Leder gebundene Kladde aus dem Regal und schlug sie auf; Zeitungsausschnitte waren säuberlich auf die Seiten geklebt worden. Er las diese und jene Texte, während Reuben ungeduldig wartete. Schließlich klappte Stone die Kladde zu und holte zwei andere große Kladden heraus. Dahinter stand ein kleiner Lederkoffer. Zusammen mit der Kladde, in der er geblättert hatte, steckte Stone den Koffer in seinen Rucksack.
Auf dem Weg zum Ausgang ließ Reuben sich von der attraktiven jungen Dame in Schwarz drei Plätzchen reichen. »Ich bin Reuben«, sagte er, zog den Bauch ein und richtete sich zu voller Größe auf.
»Schön für Sie«, antwortete sie kurz angebunden, ehe sie ihn stehen ließ.
»Ich glaube, der heiße Feger war schwer beeindruckt von mir«, meinte Reuben stolz, als sie zum Motorrad schlenderten.
»Ja, bestimmt ist sie sofort losgerannt, um es all ihren Freundinnen zu erzählen«, gab Stone zur Antwort.
KAPITEL 39
Alex Ford brauchte fast eine Stunde, um sich zu entscheiden, was er für das abendliche Rendezvous mit Kate Adams anziehen sollte. Er durchlebte peinliche, ja erniedrigende sechzig Minuten, weil er jetzt erst begriff, wie lange es her war, dass er ein richtiges Date gehabt hatte. Am Ende entschied er sich für einen blauen Blazer, ein weißes Herrenhemd, eine schlammfarbene Hose und Mokassinlatschen für seine großen Füße. Er rasierte die Siebzehn-Uhr-Bartstoppeln ab, kleidete sich an, kämmte sich, lutschte zur Auffrischung des Atems ein paar Pfefferminzbonbons und fand sich damit ab, dass der lange, leicht verschlissene Lulatsch, der ihn aus dem Spiegel anblickte, irgendwie zurechtkommen musste.
Der Verkehr in Washington hatte die heutige kritische Phase erreicht, die weder die geeignete Zeit zum Wegfahren war, noch eine Richtung bot, die man ohne Staus hätte nehmen können, sodass Alex befürchtete, sich zu verspäten. Allerdings hatte er Glück, weil er sich noch knapp an einer Unfallstelle auf der Interstate 66 vorbeipfuschen konnte, und dahinter hatte er freie Bahn. Er nahm die Abfahrt Key Bridge, überquerte den Potomac, bog nach rechts in die M Street ein und gelangte bald im piekfeinen Georgetown auf die 31st Street. Georgetown war nach einem englischen König benannt, und tatsächlich strahlen manche Viertel noch eine gewisse königliche Würde aus, die mancher Zeitgenosse indessen als Snobismus auslegen mochte. In der hauptsächlichen Einkaufszone – M Street und Wisconsin Avenue – war das Milieu jedoch eher modern und funky: Unzulänglich bekleidete Jugendliche tummelten sich auf den schmalen Gehwegen, schnatterten in ihre Handys und checkten die Szene. Im hochklassigen Teil Georgetowns dagegen, zu dem Alex unterwegs war, wohnten berühmte Familien mit riesigem Vermögen, aber kaum Tätowierungen oder Piercings.
Während Alex an einem stattlichen Herrenhaus nach dem anderen vorüberfuhr, wuchs seine Nervosität. Mit den Jahren hatte er schon zahlreiche sehr mächtige Menschen dienstlich beschützt, doch der Secret Service war stolz darauf, sich als Elitegeheimdienst mit proletarischer Tradition zu verstehen. Alex passte
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