Camel Club 01 - Die Wächter
genau in diese Nische und zog es vor, in einem Eckimbiss am Resopaltischchen zu Mittag zu essen, als in Paris in einem Dreisternerestaurant zu speisen. Trotzdem gab es jetzt kein Zurück mehr.
Die Straße endete an der Ecke R Street als Sackgasse, nahe der klotzigen Dumbarton-Oaks-Villa. Alex bog nach links in die R Street ein und fand die gesuchte Anschrift.
»Also, was die Wohnqualität angeht, hat sie nicht übertrieben«, murmelte Alex, während er zu dem aus Ziegeln und Schieferschindeln errichteten Riesenbauwerk aufblickte. Er tuckerte auf die kreisförmig angelegte Zufahrt, stieg aus und schaute sich um. Das Gelände war mit regelmäßig zugeschnittenen Sträuchern bepflanzt, die allesamt die gleiche Höhe und die gleichen Umrisse hatten, und die Beete spätsommerlicher Blumen präsentierten sich in farbenfroher, symmetrischer Pracht. Üppig wucherte Moos auf den Steinplatten, die zu einem Bogenportal führten, das vermutlich Zutritt in den hinteren Garten gewährte. Oder zum hinteren Park, wie man bei solchen Palästen wohl sagte, überlegte Alex.
Er sah auf die Armbanduhr und stellte fest, dass er das Fahrtziel zehn Minuten zu früh erreicht hatte. Vielleicht war Kate noch gar nicht daheim. Gerade hatte er sich dazu entschlossen, noch einmal um den Block zu fahren, um die Zeit totzuschlagen, als unvermutet eine fröhliche Stimme nach ihm rief.
»Juhuuu, sind Sie der Secret-Service-Mann?«
Alex drehte sich um und erblickte eine kleine, gebeugte Frau, die auf ihn zutrippelte. An einem Arm hatte sie einen Korb mit frisch geschnittenen Blumen hängen. Sie trug einen breitrandigen Sonnenhut, unter dem wie Baumwolle weißes Haar hervorwehte, eine beige Segeltuchhose und darüber ein langärmeliges Jeanshemd; eine große, tiefschwarze Sonnenbrille bedeckte den Hauptteil ihres Gesichts. Sie wirkte, als wäre sie mit der Zeit geschrumpft. Alex schätzte ihr Alter auf Mitte achtzig.
»Gnädigste?«
»Sie sind groß und sehen gut aus. Sind Sie auch bewaffnet? Bei Kate ist es zu empfehlen.«
Alex spähte umher, weil er sich im ersten Moment fragte, ob Kate sich einen Jux mit ihm erlaubte und diese alte Dame vielleicht für diesen Ulk angeheuert hatte. Da er sonst niemanden sah, wandte er sich wieder der Frau zu. »Ich bin Alex Ford.«
»Sind Sie einer von den Fords?«
»Tut mir leid, aber in meiner Zukunft sehe ich kein Treuhandvermögen.«
Die Frau streifte den Handschuh ab, stopfte ihn in die Hosentasche und reichte Alex die Hand. Er drückte sie, doch sie gab seine Hand nicht wieder frei. Stattdessen zog sie ihn zum Haus. »Kate ist noch nicht fertig. Kommen Sie herein, Alex, dann trinken wir was und plaudern ein bisschen.« Alex ließ sich von ihr mitziehen, weil er schlicht und einfach nicht wusste, was er sonst tun sollte. Die Frau roch nach kräftigen Küchengewürzen und Haarspray. Als sie das Haus betreten hatten, ließ sie seine Hand endlich los. »Ach, was ist bloß aus meinen Manieren geworden«, sagte sie. »Ich bin Lucille Whitney-Houseman.«
»Sind Sie eine von den Whitney-Housemans?«, fragte Alex und grinste.
Sie nahm die Sonnenbrille ab und lächelte kokett. »Mein Vater, Ira Whitney, hat die Fleischverpackungsindustrie nicht gegründet, er ist dadurch nur vermögend geworden. Mein lieber Mann Bernie, möge er in Frieden ruhen«, sie hob den Blick zur Decke und bekreuzigte sich, »stammte aus einer Familie, die ihr Vermögen mit Whiskey erworben hat, und nicht immer legal. Bernie war Staatsanwalt, ehe er Bundesrichter wurde. Das hatte interessante Familientreffen zur Folge, das kann ich Ihnen sagen.« Sie geleitete Alex in ein riesiges Wohnzimmer, winkte ihn auf ein langes Sofa, das an einer der Wände stand, und stellte die Blumen in eine Kristallvase. Dann wandte sie sich erneut an Alex. »Apropos Whiskey, nennen Sie mir Ihre Lieblingsmarke.« Sie schritt zu einem kleinen Schrank und öffnete ihn; er enthielt eine weitgehend komplett ausgestattete Hausbar.
»Also, Mrs.… äh, soll ich Sie mit Doppelnamen anreden?«
»Nennen Sie mich Lucky. Das tut jeder, weil ich mein Leben lang immer nur Glück gehabt habe.«
»Ich hätte gern ein Glas Club Soda, Lucky.«
Lucky drehte sich um und maß ihn strengen Blicks. »Ich habe viele Cocktails zu mixen gelernt, junger Mann, aber Club Soda ist nicht darunter«, entgegnete sie in vorwurfsvollem Ton.
»Aha. Nun… dann bitte Cola mit Rum.«
»Ich nehme Whiskey mit Cola, Schnucki, mit Schwerpunkt auf Whiskey.« Lucky brachte ihm den Drink,
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