Camel Club 01 - Die Wächter
definitiv tot.«
»Ja, und unsere Obrigkeit hat wie immer blitzschnell gehandelt«, rief Reuben. »Die Richtigstellung hat nur ein Jahrzehnt beansprucht. Gut, dass ich keine Steuern zahle, sonst stünden mir die Haare zu Berge.«
Sie sahen von der Startbahn des Reagan National Airport eine Düsenmaschine abheben, nach Norden aufsteigen und dann südwärts beidrehen, in dieselbe Richtung, in die sie fuhren. Ein paar Minuten später passierten sie den offiziellen Ortsrand von Old Town Alexandria, einer der historisch bedeutsamsten Ortschaften des Landes. Dort stand nicht nur ein Haus, in dem früher der Konföderiertengeneral Robert E. Lee als Junge gewohnt hatte, nein, es waren sogar zwei Häuser. Außerdem gab es im Ort die Christ Church, wo einst das Hinterteil keines Geringeren als George Washington das Gestühl beehrt hatte. Die Ortschaft strotzte von alten, schön restaurierten Häusern Wohlhabender, holprigen Kopfsteinpflasterstraßen, malerischen Läden und erlesenen Restaurants. Im Freien sprühte es von Aktivitäten, und es gab eine attraktive Uferzone. Außerdem war hier der Sitz des Bundeskonkursgerichtshofs.
»Scheißbande«, bemerkte Reuben, als sie am Gerichtsgebäude vorüberfuhren. »Da bin ich zweimal durch den Fleischwolf gedreht worden.«
»Caleb kennt Leute, die dir bei deinen Geldangelegenheiten behilflich sein können. Und ich bin mir sicher, dass auch Chastity die Richtige ist, um dir wertvolle Hilfe zu erweisen.«
»Ganz bestimmt könnte die entzückende Chastity meine Bedürfnisse erfüllen, aber dann wäre Milton bitterböse auf mich«, rief Reuben mit schelmischem Augenzwinkern. »Und was das Geld angeht, das ich habe, brauche ich keinen Beistand, Oliver. Ich bräuchte jemanden, der mir hilft, an mehr Geld zu kommen.« Er bog links ab, und sie fuhren durch eine Nebenstraße in Richtung Fluss, bis sie an der Union Street als Sackgasse endete. Dort suchte Reuben einen Parkplatz, und Stone kletterte mit einigen Schwierigkeiten aus dem Seitenwagen. »Verdammt, was ist denn mit deinem Gesicht passiert?«, fragte Reuben, der Stones Verletzungen offenbar erst jetzt bemerkte.
»Ich bin gestürzt.«
»Wo?«
»Im Park. Ich hab mit T. J. Schach gespielt und danach mit Adelphia Kaffee getrunken. Und dann bin ich beim Gehen über eine Baumwurzel gestolpert.«
Reuben fasste den Freund an der Schulter. »Diese Adelphia! Oliver, die Frau hat einen an der Klatsche. Du kannst von Glück reden, dass sie dir kein Gift in den Kaffee gemischt hat. Glaub mir, eines Abends schleicht sie zu deinem Haus und schneidet dir im Schlaf die Gurgel durch.« Er senkte die Stimme. »Oder noch schlimmer, sie verführt dich.« Sobald er sich Adelphia als Verführerin vorstellte, schauderte es Reuben.
Sie gingen am Union Street Pub vorbei, überquerten die Straße und hielten auf ein Ladengeschäft nahe der Straßenecke zu. Auf einem Schild über dem Eingang stand der Schriftzug: Libri Sententiarum Quattuor. »Was ist denn das?«, fragte Reuben und deutete auf das Schild. »Ich weiß, ich bin ’ne ganze Weile nicht mehr hier gewesen, aber hieß der Laden nicht mal Doug’s Books?«
»Der Name wurde als zu unattraktiv für die angestrebte gebildete Kundschaft angesehen und deshalb geändert.«
»Li-bri Senten-tiarum Quat-tuor? Ist ja ein echter Zungenbrecher. Was zum Geier heißt das?«
»Es ist Latein und bedeutet ›Viertes Buch der Sentenzen‹. Das war der Titel einer Handschrift Peter Lombards aus dem zwölften Jahrhundert, die man zerschnitten hat, um damit die fünfzehnhundertsechsundzwanziger Ausgabe der Vorlesungen des Thomas von Aquin über die Episteln des Paulus zu binden. Manche Gelehrte halten dieses Werk Thomas’ für eines der seltensten Bücher der Welt. Da kann man sich leicht denken, dass ein älteres Werk, das man benutzt hat, um es zu binden, etwas noch viel Außergewöhnlicheres ist. Darum ist das ein sehr passender Name für ein Antiquariat.«
»Ich bin beeindruckt, Oliver. Ich wusste nicht, dass du Latein kannst.«
»Ich kann es gar nicht. Caleb hat mir die Geschichte erzählt. Es war auch seine Idee, die Buchhandlung umzubenennen. Ich hab ihn dem Inhaber vorgestellt, wie du sicher noch weißt. Wegen Calebs Spezialkenntnissen in Sachen alte Bücher dachte ich mir, dabei könnte etwas Produktives herauskommen. Erst hat Caleb sich nur gelegentlich als Berater nützlich gemacht, inzwischen ist er Mitinhaber von dem Laden.«
Zum Bimmeln einer Glocke, die an der Rundbogentür aus massiver
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