Camel Club 01 - Die Wächter
Nathan’s war es noch nicht allzu voll, sodass Alex Ford und Kate Adams einen Tisch unweit der Theke erhielten und unverzüglich Getränke bestellen konnten.
»Lucky ist ja ein echtes Unikum«, sagte Alex. »Wie haben Sie sie kennen gelernt?«
»Bevor ich beim Justizministerium anfing, hatte ich eine Privatkanzlei. Nach dem Tod ihres Gatten habe ich den Nachlass geregelt. Wir haben uns angefreundet, und schließlich hat sie mich gebeten, zu ihr zu ziehen. Erst habe ich abgelehnt, aber sie hat nicht locker gelassen, und blöderweise lief mir auch nicht der richtige Mann in die Arme. Selbstverständlich zahle ich Miete. Lucky ist eine sehr interessante Person. Sie ist überall gewesen und kennt Gott und die Welt. Aber sie ist auch einsam. Einer Frau wie ihr bekommt das Alter nicht gut. Sie ist sehr lebendig, möchte all das tun, was sie früher getan hat, kann es aber einfach nicht mehr.«
»Nach allem, was ich gesehen habe, gibt sie sich jedenfalls redlich Mühe«, antwortete Alex. »Und warum sind Sie zur Regierung gegangen?«
»Aus keinem besonders originellen Grund. Die ewige Alltagsmühle hatte mich schlichtweg ausgebrannt. Man ändert die Welt nicht durch Testamentseröffnungen und Scheidungsverfahren.«
»Und was treiben Sie im Justizministerium, um die Welt zu verändern?«
»Ich arbeite in einem noch ziemlich neuen Bereich. Aufgrund der Zustände im Gefangenenlager Guantanamo und nach den Vorfällen im Abu-Ghraib-Gefängnis, im Vernehmungszentrum Salt Pit und anderen Orten wurde im Justizministerium eine Sonderkommission gegründet, deren Aufgabe es ist, die Bürgerrechte Gefangener zu verteidigen, die hohen politischen Stellenwert haben oder ausländische Kombattanten sind, und alle Verbrechen an diesen Personengruppen zu untersuchen.«
»Wenn ich bedenke, was man alles in den Zeitungen liest, müssen Sie ganz schön zu tun haben.«
»Im Allgemeinen haben die Vereinigten Staaten einen ausgezeichneten Ruf, was die Behandlung Kriegsgefangener und ausländischer Kombattanten angeht, aber je länger der Krieg gegen den Terrorismus sich hinzieht, umso stärker wird für unsere Leute die Versuchung, auf das Niveau der Gegenseite abzusinken. Schließlich sind sie auch nur Menschen, und es kann passieren, dass sie jemanden, den sie verhören, als sämtlicher Rechte unwürdig einstufen.«
»Das ist aber keine Entschuldigung für Rechtsbruch.«
»Nein, auf keinen Fall. Genau deshalb gibt es jetzt Leute wie mich. In den letzten beiden Jahre bin ich sechs Mal in den verschiedenen Kriegsgebieten gewesen. Leider werden die Verhältnisse kaum besser.«
»Man hat den Eindruck, dass auch Carter Gray jetzt mit allen Mitteln zurückschlägt.«
Kate lehnte sich zurück und trank einen Schluck Rotwein. »Was Gray angeht, habe ich gemischte Gefühle. Privat kann ich das Leid nachvollziehen, das ihm der Verlust seiner Familie durch die Anschläge des elften September verursacht hat. Ich glaube, das war der einzige Grund für seine Rückkehr in die Regierungstätigkeit. Doch ob das gut war, wage ich zu bezweifeln.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte Alex.
»Ich weiß, dass er außergewöhnliche Ergebnisse erzielt. Deshalb frage ich mich, ob er auch außergewöhnliche Mittel anwendet. Zum Beispiel hatten wir erhebliche Auseinandersetzungen wegen der Auslieferungen an Drittländer.«
»Mir ist zu Ohren gekommen, dass es deswegen gehörige politische Rangeleien gibt.«
»Das ist angesichts der Vorgehensweise kein Wunder. Terrorismusverdächtige werden aus den USA in fremde Länder befördert – oder umgekehrt –, ohne dass man rechtliche Verfahren berücksichtigt oder das Internationale Rote Kreuz heranzieht. Verlegen wir Gefangene ins Ausland, lässt man sich vom Empfängerland erst die mündliche Zusage erteilen, dass der Überstellte keine Folterungen erdulden muss. Leider gibt es dann aber keine Möglichkeit nachzuprüfen, ob die Zusage eingehalten wird. Vielmehr ist es oft vollkommen klar, dass gefoltert wird . Außerdem gehen manche Kenner der Materie davon aus, dass NIC und CIA – eben weil Folter in den Vereinigten Staaten verboten ist – aktiv daran beteiligt sind, Gefangene in Länder zu verlegen, in denen Folter eingesetzt werden kann, um an wichtige Informationen zu gelangen. Sie stiften das Empfängerland sogar an, beliebige Vorwürfe gegen einen Verdächtigen zu erheben, damit es möglich wird, ihn einzusperren, zu vernehmen und häufig auch zu foltern. Das verstößt gegen sämtliche Werte, für die
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