Camel Club 01 - Die Wächter
Forschung ausgegrenzt worden. Heute hatte er einen Job in der Raritätenabteilung der Kongressbibliothek. Seine Mitgliedschaft in der Organisation, deren Treffen für diese Nacht anberaumt worden war, hatte er im Lebenslauf verschwiegen, als er seine Bewerbung einreichte. Regierungsbehörden mochten keine Leute, die sich mit Verschwörungstheoretikern einließen, deren Zusammenkünfte mitten in der Nacht stattfanden.
Milton Farb zeichnete sich durch eine wahrscheinlich höhere geistige Brillanz aus, als die drei anderen Männer zusammen sie besaßen, wenngleich er häufig die Mahlzeiten vergaß, Paris Hilton für ein Hotel in Frankreich hielt und glaubte, Geld zu besitzen, solange er eine Scheckkarte besaß. Er verfügte über die angeborene Fähigkeit, riesige Zahlen im Kopf zu addieren, und ein fotografisches Gedächtnis – was er las oder sah, vergaß er nie mehr – und musste als Wunderkind gelten. Seine Eltern hatten eine Kirmesbude besessen und waren stets umhergezogen, sodass Milton zu einer vielbeachteten Attraktion wurde, da er die riesigsten Zahlen schneller im Kopf addierte als jeder andere mit dem Taschenrechner, und den Inhalt jedes Buches, das man ihn durchblättern ließ, ohne zu stocken vollständig wiedergeben konnte.
Jahre später, nachdem er Schule und Studium in Rekordzeit absolviert hatte, arbeitete er für die Nationale Gesundheitsbehörde in der Forschung. Die einzige Misslichkeit, die ihn an einem erfolgreichen Leben hinderte, war eine zunehmende Zwangsstörung mit starken paranoiden Symptomen, deren Ursache vermutlich in seiner unorthodoxen Kindheit inmitten des Jahrmarktrummels gesucht werden musste. Zu Miltons Pech machten diese Macken sich gern zum ungeeignetsten Zeitpunkt bemerkbar. Nachdem er vor einigen Jahren einen Drohbrief an den Präsidenten der Vereinigten Staaten geschickt hatte und daraufhin vom Secret Service unter die Lupe genommen worden war, fand seine Laufbahn bei der Gesundheitsbehörde ein rasches Ende.
Stone war Milton zum ersten Mal in einer Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie begegnet, in der Stone als Pfleger arbeitete, während Milton sich als Patient dort aufhielt. Im Verlauf seines Klinikaufenthalts verstarben Miltons Eltern und ließen ihn ohne eine Kopeke zurück. Inzwischen jedoch war Stone auf Miltons außerordentliche intellektuelle Fähigkeiten aufmerksam geworden und überredete seinen zutiefst niedergeschlagenen Freund, einmal sein Glück bei Riskant! zu versuchen. Milton bewarb sich mit Erfolg für die Quizshow, und es gelang ihm – da gewisse Medikamente vorübergehend seine Zwangsstörung unterdrückten, als es ernst wurde –, in der Sendung sämtliche anderen Kandidaten an die Wand zu spielen und ein kleines Vermögen einzuheimsen. Jetzt besaß er eine Firma, die Websites für Großunternehmen entwarf.
Die Männer stapften hinunter zum Flussufer und gelangten zu einem alten, verlassenen Schrottplatz. In der Nähe wucherte, halb im Wasser, ein dichtes Gestrüpp. Aus diesem Versteck bargen die vier Freunde ein längliches Ruderboot, das kaum noch schwimmfähig anmutete. Ohne vom Zustand des Bootes abgeschreckt zu werden, entledigten sie sich ihrer Schuhe und Socken, stopften sie in ihre Taschen, ließen das Boot zu Wasser und stiegen hinein. Beim Rudern wechselten sie sich ab. Reuben legte sich am längsten und tüchtigsten ins Zeug.
Auf dem Fluss wehte eine kühle Brise. Verlockend schimmerten die Lichter Georgetowns – und weiter südlich die Washingtons –, verschwanden jedoch rasch, als der Nebel dichter wurde.
»Das Polizeiboot muss jetzt an der Brücke Vierzehnte Straße sein«, sagte Caleb. »Es hat ’nen neuen Dienstplan. Und alle zwei Stunden patrouillieren Hubschrauber über der Mall. Ich weiß es aus der Warn-Mail, die heute in der Bibliothek eingegangen ist.«
»Die Warnstufe ist am Morgen raufgesetzt worden«, sagte Reuben. »Bekannte von mir sagen, das alles wäre bloß Schaumschlägerei, um Brennans Wahlkampf zu unterstützen.«
Stone drehte sich um und blickte Milton an, der gleichmütig am Heck hockte. »Du bist heute so still, Milt. Ist alles in Ordnung?«
Schüchtern erwiderte Milton seinen Blick. »Ich hab ’ne neue Freundschaft geschlossen.« Alle schauten ihn erstaunt an. »Eine Freundin gefunden«, fügte Milton rasch hinzu.
Reuben versetzte ihm einen Klaps auf die Schulter. »Du alter Schlawiner.«
»Das ist ja geil, Milton«, sagte Stone. »Wo hast du sie kennen gelernt?«
»In der Klinik für
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