Camel Club 01 - Die Wächter
entfernt. Auch die Regierung in Beirut setzte sich mit Washington in Verbindung, weil Damaskus unweit der libanesischen Grenze lag. Washington erteilte beiden Ländern den gleichen kühlen Bescheid: »Treffen Sie alle Vorkehrungen, die Sie für richtig erachten.«
Auf sämtliche Appelle hatten die Vereinigten Staaten nur eine Antwort: Allein die Entführer hatten es in der Hand. Sie brauchten lediglich James Brennan unversehrt freizulassen, was sie ohnehin angekündigt hatten, und die Syrer blieben am Leben. Der einzige Unterschied bestand darin, dass jetzt die Vereinigten Staaten den Zeitplan für die Freilassung ihres Staatsoberhaupts diktierten.
Im Weißen Haus beriet sich Hamilton im Oval Office mit Verteidigungsminister Decker, den Befehlshabern der Streitkräfte, dem Sicherheitsberater, Außenministerin Mayes und mehreren anderen Kabinettsmitgliedern. Seltsamerweise fehlte Carter Gray.
Die überaus schwere Entscheidung für den Atomwaffeneinsatz bedeutete für Hamilton offenkundig eine beträchtliche Bürde: Seine Haut war bleich, das Gesicht eingesunken. Fast sah er aus wie ein Todkranker. Während die Generale und Admirale sich mit gedämpften Stimmen besprachen, trank er eine Flasche Tafelwasser, um sein Sodbrennen zu lindern.
Decker kam von den Militärs zu Hamilton herüber. »Sir, ich habe Verständnis dafür, dass die Entscheidung Sie erheblich belastet, aber ich darf Ihnen versichern, dass unsere Kapazitäten für die Erfüllung der gestellten Aufgabe mehr als ausreichen.«
»Ich mache mir keine Sorgen, dass Sie die Stadt verfehlen könnten, Joe. Ich bin besorgt wegen des dicken Endes .«
»Syrien hat lange Zeit Terroristen unterstützt. In Damaskus wimmelt es von ehemaligen baathistischen Bonzen, die nur auf die Gelegenheit warten, sich im Irak zurück an die Macht zu putschen. Es ist wohl bekannt, dass die Moscheen in Damaskus wichtige Anwerbungsstellen für Mudschaheddin sind. Und syrische Milizen sind im Irak im gesamten Sunnitischen Dreieck aktiv. Es ist höchste Zeit, dass wir denen eine deutliche Grenze ziehen. Da gilt die gleiche Dominotheorie, auf deren Grundlage wir dem Nahen Osten die Demokratie einzutrichtern versuchen, indem wir im Irak anfangen. Wenn wir an den Syrern ein Exempel statuieren, werden alle anderen Staaten es sich hinter die Löffel schreiben.«
»Ja, aber was ist mit dem radioaktiven Fallout?«, fragte Hamilton.
»Sicherlich wird es einen gewissen Fallout geben. Doch angesichts der geographischen Lage von Damaskus wird die Auswirkung ein wenig eingedämmt.«
Hamilton leerte die Flasche und warf sie in den Papierkorb. »›Ein wenig eingedämmt‹… schön, dass Sie so was glauben, Joe.«
»Mr. President, Sie haben die richtige Entscheidung getroffen. Wir konnten unmöglich eine derartige Aktion hinnehmen, ohne Vergeltung zu üben. Damit hätten wir diesen Leuten Tür und Tor geöffnet, noch mehr Unheil anzustellen. Es muss ein Schlussstrich gezogen werden. Und im Nahen Osten weitere Truppen einzusetzen hätte das Militär bis zum Äußersten beansprucht und zudem den Syrern die Gelegenheit eingeräumt, den gleichen Guerillakrieg gegen uns zu führen, den die Iraker betreiben. Außerdem werden sie den Präsidenten freilassen, sobald ihnen klar wird, dass wir nicht bluffen. Letzten Endes brauchen wir die Rakete überhaupt nicht zu starten.«
»Ich hoffe, Sie behalten recht.« Hamilton stand auf und schaute zum Fenster hinaus. »Wie viel Zeit bleibt noch?«
Decker blickte hinüber zu seinem Militärberater.
»Sechs Stunden, elf Minuten und sechsunddreißig Sekunden«, antwortete der Mann prompt, nachdem er einen Blick auf den vor ihm stehenden Laptop geworfen hatte.
»Liegen neue Stellungnahmen der Scharia-Gruppe vor?«, fragte Hamilton.
»Nur die wiederholte Beteuerung, dass sie den Präsidenten nicht hat«, sagte Andrea Mayes. Die Außenministerin trat zu ihrem Chef. »Und wenn es nun die Wahrheit ist, Mr. Präsident? Wenn sie ihn wirklich nicht hat? Vielleicht schanzt jemand die Schuld Syrien zu und hofft, dass wir genau so reagieren, wie wir es jetzt tun.«
»Ich will die Möglichkeit nicht ausschließen«, grummelte Decker, »dass irgendwer davon Kenntnis erhalten kann, obwohl Al Dschazira das ID-Losungswort regelmäßig ändert. Aber die Person, die dort angerufen und die Informationen durchgegeben hatte, kannte Einzelheiten der Entführungsaktion, über die nur die Täter selbst Bescheid wissen können. Und jede Terroristengruppe, der so etwas gelingt,
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