Camel Club 01 - Die Wächter
Geschwindigkeit von Mach 20 war die D-5 zehnmal so schnell wie die Concorde, und es gab nirgends auf der Welt ein Militärflugzeug, das ihre Geschwindigkeit nur im Entferntesten hätte erreichen können.
Auf Damaskus sollte nur eine D-5 abgefeuert werden, aber was die Sprengkraft betraf, durfte man sich davon nicht täuschen lassen. Die Fernversion der D-5 enthielt sechs MK-5-Wiedereintrittsprojektile; jedes hatte einen thermonuklearen Sprengkopf des Typs W-88 mit einer Sprengkraft von 474 Kilotonnen. Um einen Vergleich anzuführen: Ein einzelner W-88-Sprengkopf übertraf die gesamte Sprengkraft aller im Verlauf der Weltgeschichte jemals eingesetzten Bomben und Granaten, die beiden im Zweiten Weltkrieg auf Japan abgeworfenen Atombomben mit eingerechnet.
Zwar weilten die 155 Marineangehörigen an Bord der Tennessee seit vier Wochen auf hoher See, doch waren sie über die aktuelle weltpolitische Situation bestens informiert. Sie wussten ganz genau, was für eine Art von Befehl ihnen da zugegangen war, und wenn auch jeder von ihnen entschlossen war, diesen Befehl zu befolgen, hatte die Mehrheit im Stillen ihre Befürchtungen, was die Zukunftsaussichten der Welt betraf. Sie blickten auf ihre Computermonitore und simulierten immer wieder den Startvorgang, der mit hoher Wahrscheinlichkeit die Menschheit in einen gigantischen Krieg stürzen würde. Für eine Schiffsmannschaft, deren Durchschnittsalter zweiundzwanzig Jahre betrug, bedeutete so etwas eine schwere Belastung.
Unterdessen hatte sich schon in der ersten Stunde, nachdem Hamilton seine Fernsehrede gehalten hatte, die gesamte islamische Welt hinter die syrische Nation gestellt. Diplomaten aus Saudi-Arabien, Jordanien, Kuwait und Pakistan versuchten die Amerikaner verzweifelt umzustimmen. Während man Damaskus evakuierte, tagten die Militärbefehlshaber und politischen Führer anderer moslemischer Länder und berieten über die Frage, wie man auf einen amerikanischen Raketenangriff auf Syrien reagieren sollte. Terrororganisationen im Nahen Osten riefen für den Fall, dass Damaskus tatsächlich von einer atomaren Rakete vernichtet wurde, zu einem totalen Dschihad gegen die Vereinigten Staaten auf. An zahlreichen Orten im Nahen Osten planten die Führungseliten dieser Gruppierungen bereits Vergeltungsmaßnahmen.
Falls eine Rakete Syrien traf, würden die Verwüstungen alles in den Schatten stellen, was die Welt bis dahin erlebt hatte. Damaskus war eine der am dichtesten besiedelten Städte der Erde; im dortigen Großraum lebten mehr als sechs Millionen Menschen. Nur ein winziger Prozentsatz konnte innerhalb der gewährten Frist in Sicherheit gebracht werden. Alle anderen Bewohner würden in der atomaren Hitze der Trefferzone verglühen, während eine Pilzwolke radioaktiven Fallouts in die Atmosphäre emporschoss, um anschließend auf die Ruinen der ältesten ununterbrochen bewohnten Stadt der Erde zu sinken.
Syrien und die Scharia-Gruppe hatten sofort und mit scharfem Nachdruck jede Verantwortung für die Entführung des Präsidenten von sich gewiesen. Doch in westlichen Kreisen schenkte man ihnen wenig Glauben. Im vergangenen Jahr hatte die Scharia-Gruppe ihre terroristischen Aktivitäten deutlich verstärkt. Und die Person, die bei Al Dschazira angerufen hatte, hatte das komplizierte Losungswort gewusst, das die Scharia-Gruppe benutzte, um sich bei dem arabischen Fernsehsender verlässlich zu identifizieren. Dieses Losungswort wurde ständig geändert und war nur einer Hand voll Anführern der Terrorgruppe bekannt. Die Verlautbarung der Scharia-Gruppe, eine ihrer Führungspersönlichkeiten, die das aktuelle Losungswort kannte, werde seit zwei Wochen vermisst, stieß weitgehend auf taube Ohren.
Die Vereinten Nationen hatten an die USA appelliert, die Atomschlagdrohung zurückzunehmen, und die Mitglieder des Sicherheitsrates wiederholten das Ersuchen auf diplomatischer Ebene. Allerdings ging keine dieser Regierungen davon aus, dass die USA ihre Haltung änderte.
Israel befand sich in höchster Alarmbereitschaft. Den israelischen Führern war klar, dass sie eines der ersten Ziele eines islamischen Gegenschlags darstellten. Und Syrien lag so nahe an Israel, dass die absehbare Problematik des atomaren Fallouts den israelischen Premierminister zwang, den amtierenden US-Präsidenten Hamilton zu kontaktieren, um sich in dieser Angelegenheit näheren Aufschluss zu verschaffen. Die lebenswichtigen Wasserquellen der Golan-Höhen waren nicht weit von der Zielzone
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