Camel Club 01 - Die Wächter
zu. »Ohne Waffe macht er nicht mehr so viel her.« Plötzlich schrie Reuben vor Schmerz auf, als ein Absatz mit voller Wucht seinen Fuß traf. Reubens Umklammerung lockerte sich ein wenig. Mehr Spielraum brauchte sein Gegner nicht, um sich aus seinem Griff zu winden. Zwei kurze Haken krachten gegen Reubens Kinn; zwei weitere wuchtige Faustschläge trafen ihn in den Leib. Reuben sank auf die Knie, rang um Atem und spuckte Blut. Der Asiate hob die Hand, um zuzustechen. Das Messer funkelte, und die Klinge sauste auf Reubens Hals herab.
Stones Kugel schlug dem Asiaten genau ins Hirn. Er fiel auf die Knie und kippte dann der Länge nach auf den Boden.
Stone schob die Pistole unter den Gürtel und eilte zu seinem Freund. »Reuben?« Seine Stimme zitterte. »Reuben!«
»Verdammt noch mal, Oliver«, sagte Reuben langsam. Sein Mund schwoll bereits sichtlich an. Er stellte sich auf die wacklig gewordenen Beine. Die beiden Männer sahen sich an. »Was machen wir hier, Oliver?«, fragte Reuben, während er sich das Blut abwischte. »Hier kann unsereins nicht mehr mitmischen.«
Stone betrachtete seine zitternden Hände. Er hatte Schmerzen in dem Bein, das er dem Nordkoreaner gestellt hatte. Nachdem er fast dreißig Jahre lang niemanden mehr umgebracht hatte, waren heute zwei Menschen durch seine Hand gestorben. Trotz des kurzen Empfindens, dass sein altes Format wiederauflebte, wusste Stone nur zu gut, dass es nicht so war. Es hing weniger mit körperlicher Fitness und jugendlicher Kraft zusammen, sondern vielmehr mit seiner damaligen Einstellung, dass nichts dagegen spräche, Menschen aus jedem beliebigen Grund und mit allen erdenklichen Mitteln zu töten. Heute war er ein anderer Mensch. Doch Stone war jetzt in einem Bauwerk gefangen, das für ihn und seine Freunde möglicherweise zur Gruft wurde, wenn er sich nicht auf seine tödlichen Fähigkeiten besann und sie nutzte.
Er stützte seinen Freund. »Tut mir leid, dass ich dich mitgeschleppt habe, Reuben.«
Reuben legte Stone eine Pranke auf die Schulter. »Wenn ich schon sterben muss, Oliver, dann lieber zusammen mit dir als mit sonst jemandem. Aber wir müssen die Sache durchstehen. Was sollten Caleb und Milton ohne uns anfangen?«
Alex und Jackie waren in einen großen, dunklen Raum gelangt, in dem es widerlich roch. Die Räumlichkeit war schalldicht; deshalb hatten sie die Schüsse nicht gehört, die auf dem Schießstand gefallen waren. Dank des Nachtsichtgeräts konnte Alex erkennen, dass ein schmaler, über eine Metalltreppe erreichbarer, erhöhter Laufsteg durch den Raum verlief.
»Ich gehe voran«, flüsterte Alex seiner Kollegin zu. »Aber geben Sie mir Feuerschutz.«
»Warum müssen Sie den Helden spielen?«, fragte Jackie.
»Wer sagt denn, dass ich den Helden spiele? Wenn ich in die Klemme gerate, erwarte ich von Ihnen, dass Sie mich raushauen, verdammt noch mal, selbst wenn jemand Ihnen den Hintern wegschießt. Und sobald Sie über den Steg da gehen, halten Sie sich genau geradeaus, klar? Gehen Sie ja nicht zur Seite.«
»Wieso? Was soll das?«
»Keine Ahnung, und ich will es auch gar nicht wissen. Oliver hat mir gesagt, wir müssen genau in der Mitte bleiben, und danach richten wir uns.« Vorsichtig stieg Alex die Stufen empor und schlich dann in geduckter Haltung mitten über den Laufsteg. Er gelangte auf die andere Seite und entdeckte dort die Verbindungstür zum nächsten Trainingsraum. »Alles klar«, rief er leise zu Jackie hinüber. »Kommen Sie.«
Jackie lief schnell über den Laufsteg. Kaum war sie wieder zu Alex gestoßen, öffnete und schloss sich die Eingangstür. Augenblicklich kauerten Alex und Jackie sich hin.
Alex schätzte die Lage ein, tippte Jackie dann auf die Schulter und gab ihr durch Gesten zu verstehen, dass sie den Weg durch die Verbindungstür fortsetzen sollte, während er ihr den Rücken deckte. Jackie huschte nach hinten. Alex hockte sich ans Ende des Laufstegs und richtete die Pistole geradeaus. Er sah sich nach Jackie um und nickte. Sie öffnete die Tür und schob sich hindurch. Allerdings verursachte sie dabei ein Geräusch, das zur Folge hatte, dass die dritte Person die Stufen hinaufstieg und den Laufsteg betrat. Alex trat einen Schritt vor und setzte dabei unglückseligerweise den Fuß auf eine Kante. Er hörte ein Knacken, und der Laufsteg gab unter ihm nach. Alex fiel in die Tiefe und stürzte in knietiefes, schlammiges Wasser. Fast gleichzeitig hörte er in einigem Abstand ein zweites Klatschen. Offenbar war auch
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