Camel Club 01 - Die Wächter
»Sie Idiot!«
»Großer Gott…«, sagte Andrea Mayes.
Hamilton riss Decker den Telefonhörer aus der Hand und schubste den Verteidigungsminister beiseite. »Hier spricht Präsident Hamilton«, sagte er ins Mikrofon. »Sie müssen Verbindung mit dem U-Boot aufnehmen! Die Rakete darf nicht gestartet werden! Es ist mir egal, wie Sie es schaffen, aber tun Sie ’s!« Auf seiner Stirn schimmerte Schweiß, und er stützte sich auf die Kante des Resolute -Schreibtisches, weil ihm die Knie einzuknicken drohten. Decker lehnte an der Wand und hielt sich die Schulter, an der Hamilton ihn zur Seite gestoßen hatte. »Wenn es sein muss, versenken Sie das dreimal verfluchte U-Boot!«, brüllte Hamilton ins Telefon. »Aber verhindern Sie den Raketenstart! Unbedingt!«
Die Sekunden verstrichen. Im gesamten Oval Office war kein Atemzug zu hören. Schließlich legte Hamilton den Hörer auf und sank am Schreibtisch in die Knie. Er schien einer Ohnmacht nahe, doch es gelang ihm, in die Runde seiner Untergebenen zu blicken. »Der Start ist hinfällig«, sagte er mühsam, ehe er den Blick auf Decker richtete. »Es ist noch einmal gut gegangen… in letzter Sekunde.«
Niemand im Oval Office brach in Jubel aus. Alle waren noch wie gelähmt.
Doch irgendwo in den Tiefen des Atlantiks grölten und johlten 155 amerikanische Seeleute vor Freude und Erleichterung.
Das Wiederauftauchen Präsident James Brennans in einem alten Lagerhaus in Medina, Ohio, rüttelte die Welt noch einmal auf, während die mehr als 14000 amerikanischen Soldaten und Spezialagenten, die sich schon bereit gemacht hatten, in Medina, Saudi-Arabien, einzufallen, still den Rückzug antraten. In der Tasche des Präsidenten war ein computerbedrucktes Blatt Papier gefunden worden, auf dem stand: Aus großen Opfern erwachsen große Gelegenheiten.
Vor dreißig Jahren hatte Franklin Hemingway diese Worte geschrieben, und sein Sohn hatte es für die richtige Botschaft an den Führer der freien Welt gehalten.
Weil Carter Gray scheinbar dahintergekommen war, wo Brennan tatsächlich freigelassen werden sollte, feierte man ihn als Nationalhelden. Über Einzelheiten äußerte er sich nur verschwommen, sprach von einer Verbindung aus engagierter Arbeit, verlässlichen Informanten und viel Glück. »Auf alle Fälle haben die Entführer die Wahrheit gesagt«, erklärte er. »Der Präsident war wirklich in Medina, aber zehntausend Kilometer von dem Medina entfernt, an das wir anfangs gedacht hatten.«
Gray hatte einen überaus emotionalen Abend mit Senator Simpson und dessen Gattin zu verbringen, um sie über den Verlust ihres einzigen Kindes hinwegzutrösten. Die offizielle Darstellung des Todes von Agentin Simpson besagte, dass sie Opfer einer Fahrerflucht mit Todesfolge geworden war, als sie am späten Abend die Interstate 81 befahren hatte. Ihre Eltern sollten niemals etwas anderes erfahren. Es gab keine Verdächtigen, und wie Gray wusste, sollte es auch nie zu irgendwelchen Festnahmen kommen. Die einzige weitere Neuigkeit betraf das unerklärliche Verschwinden dreier NIC-Mitarbeiter; doch auch dieser Angelegenheit wollte Gray sich noch annehmen.
Positiv an allem war immerhin, dass Captain Jack Aussagen machte. Er redete und redete, und künftig hatte Carter Gray gegen Nordkorea jede Menge Munition in der Hand.
In einem Triumphzug kehrte James Brennan ins Weiße Haus zurück; eine riesige jubelnde Menschenmenge empfing ihn. Er äußerte sich im Fernsehen zur Lage und dankte unter anderem Carter Gray für dessen beispielhafte Arbeit, ohne zu ahnen, dass Gray noch kurz zuvor ernsthaft erwogen hatte, ihn zu ermorden und die Schuld den Syrern in die Schuhe zu schieben. Auch seinem arg in Mitleidenschaft gezogenen Vizepräsidenten sprach er für dessen vorzügliche Haltung seinen Dank aus. Zu guter Letzt bedankte Brennan sich beim amerikanischen Volk, weil es während der beispiellosen Krise festen und redlichen Sinn bewiesen hatte.
Dass die weltweite Apokalypse nur um eine knappe Sekunde abgewendet worden war, sollte niemand je erfahren. Brennans Wahlkampfleiterin stand mit strahlender Miene dabei. Seit Beendigung der Krise durfte sie sich wieder mit voller Kraft auf den Wahlkampf konzentrieren. Den jüngsten Umfragen zufolge konnte Brennan eine Wählerzustimmung in historisch einmaliger Höhe verzeichnen: 86 Prozent. Falls nicht irgendetwas Katastrophales geschah, würde Brennan die kommenden Wahlen mühelos gewinnen und konnte ein zweites Mal vier Jahre lang seine Politik
Weitere Kostenlose Bücher