Camel Club 01 - Die Wächter
Chaos, das in Damaskus ausgebrochen war. Autos verstopften die Straßen; überall drängten sich entsetzte, verzweifelte Menschen. Meldungen zufolge wimmelte es auf den Startbahnen des Flugplatzes von Leuten, die in eine der letzten startbereiten Maschinen zu gelangen versuchten. Recht und Ordnung gab es nicht mehr. Die Menschen wollten nur noch fort. Und während die Stunden und damit alle Hoffnungen verstrichen, wurde das Geschehen immer grauenhafter.
Hamilton und seine Mitarbeiter sahen Eltern mit Kindern auf den Armen durch die Straßen laufen und vor Panik schreien, während Militär mit Fahrzeugen durch das Gedränge rollte und über Megafon letzte Bemühungen unternahm, die Evakuierung in geordnete Bahnen zu bringen. In knapp einer Stunde, falls die Vereinigten Staaten bei ihrem Ultimatum blieben, würde keiner dieser Menschen mehr am Leben sein. Ein Videoausschnitt zeigte, wie wütende Bürger Plünderer lynchten. Hamilton schaute zu, bis er mit ansehen musste, wie die Flüchtlingsmassen eine Gruppe kleiner Kinder, die von ihren Eltern getrennt worden waren, zu Tode trampelte.
»Schalten Sie das Scheißding ab!«, befahl Hamilton, und sofort wurde der Bildschirm dunkel.
Auf Hamiltons Schreibtisch türmten sich offizielle Ersuchen und Bitten aus aller Welt, auf den Atomangriff zu verzichten. Im ganzen Land waren Abermillionen Amerikaner auf der Straße, manche um Hamiltons Beschluss zu unterstützen, die Mehrheit jedoch aus Protest. Das Weiße Haus konnte die Flut der Telefonanrufe nicht mehr bewältigen.
Verteidigungsminister Decker setzte sich zu seinem Oberbefehlshaber. Hamilton bedachte ihn mit einem verzweifelten Blick.
»Sir«, sagte Decker, der offenbar die innere Zerrissenheit seines Chefs spürte, »ich weiß, das alles ist eine schwere Bürde für Sie. Aber wenn wir jetzt klein beigeben, verlieren wir bei unseren Feinden jede Glaubwürdigkeit. Und wenn das geschieht, haben wir wirklich verloren.«
»Ich weiß, Joe«, versicherte Hamilton.
»Und es zeichnet sich noch etwas anderes ab, Sir.«
Müde sah Hamilton ihn an. »Was denn?«
»Derzeit bilden sich über dem Atlantik ungewöhnliche atmosphärische Bedingungen. Die Marine meldet, die Satellitenkommunikation mit der Tennessee könnte schon in wenigen Minuten abbrechen.«
»Wenn es so weit kommt, müssen wir den Start absagen.«
Decker schüttelte den Kopf. »Die Wetterbedingungen haben keinen Einfluss auf den Start der Rakete. Die D-5 hat automatische Steuerung. Nach der Abtrennung der ersten Brennstufe braucht es lediglich eine zweimalige Orientierung an Sternbildern, und die Rakete bringt sich automatisch in die optimale Position, um die Sprengköpfe im freien Fall über dem Zielgebiet abzuwerfen. Ein Problem entsteht lediglich dabei, die Verbindung zum U-Boot zu halten.«
»Was wollen Sie mir eigentlich sagen, Joe?«, fragte Hamilton.
»Ich schlage mit allem Nachdruck vor, die Sache hinter uns zu bringen, ehe wir den Kontakt zum U-Boot verlieren.«
»Was? Wir sollen die Rakete jetzt starten?« Hamilton blickte Decker ins Gesicht. »Die Frist dauert noch zweiundfünfzig Minuten.«
»Was machen diese zweiundfünfzig Minuten schon aus, Sir? Wären die Terroristen zur Freilassung des Präsidenten bereit, hätten sie es längst in die Wege geleitet. Wenn wir die Frist einhalten, gewähren wir der Gegenseite bloß umso mehr Zeit, einen Gegenschlag zu planen. Wenn wir den Raketenstart nicht jetzt anordnen, Sir, bekommen wir später vielleicht keinen Kontakt mehr zur Tennessee .«
»Dann teilen Sie der Tennessee mit, die Rakete nach Ablauf der Frist abzufeuern, falls sie von uns keinen gegenteiligen Befehl bekommt.«
»So einfach ist das nicht, Sir. Aus verschiedenen Gründen ist es so eingerichtet, dass ein Raketenstart ausschließlich auf aktuellen und konkreten Befehl erfolgt. Dabei wird nicht nach der Uhr gegangen. Sicher, vielleicht ließe sich eine Rakete aus einer anderen Position abfeuern, aber dann würden wir die Achtstundenfrist überschreiten. Und wenn wir die Rakete nicht unmittelbar nach Ablauf des von uns selbst gestellten Ultimatums starten, ist es mit unserer Glaubhaftigkeit vollkommen vorbei.«
»Das heißt also, wir atomisieren sie, und sie atomisieren uns. Und was dann? Geht es so weiter, bis wir alle ausgelöscht sind?«
»Bei allem gebotenen Respekt, Sir – uns steht viel mehr zur Verfügung, um den Gegner zu atomisieren, als er gegen uns aufbieten kann. Ich bin der Überzeugung, dass am Ende wir die Sieger
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