Camel Club 01 - Die Wächter
Hubschrauber gelandet war, dessen Luke sich in diesem Augenblick öffnete.
Adnan hatte gelogen. In Wirklichkeit bot der Helikopter Platz für vier Personen. Zwei düster blickende Männer stiegen aus und kamen zu Adnan. Sie trugen einen großen Gegenstand zwischen sich. Nachdem Adnan sich eine Flinte aus dem Chevy Suburban geholt hatte, führte er die Ankömmlinge zu Mohammeds Leichnam.
Der Gegenstand, den die Männer mit sich trugen, war ein Leichensack. Sie zogen den Reißverschluss auf. In dem Sack befand sich ein Mann, der bemerkenswerte Ähnlichkeit mit Adnan besaß und gleichartige Kleidung trug. Der Mann atmete, war nur bewusstlos. In der Nähe des toten Iraners lehnten die Männer ihn in Sitzhaltung an einen Baumstamm. Adnan reichte einem der Fremden seine Brieftasche, der sie dem Bewusstlosen in die Innentasche des Jacketts schob. Der andere Mann nahm von Adnan die Flinte entgegen, drückte sie Mohammed in die leblosen Hände, richtete den Lauf auf den Bewusstlosen und jagte ihm eine Kugel in den Kopf, wobei dem Mann ein Teil des Gesichts weggerissen wurde. Binnen eines Lidschlags wurde er vom Lebenden zur Leiche. In solchen Dingen war Adnan Experte, wenn auch nicht aus freien Stücken. Wer außer einem Irren könnte sich für eine solche Berufung entscheiden?
Einen Moment später eilten Adnan und die beiden Männer zum Hubschrauber und stiegen ein. Sofort hob der Pilot ab. Weder die Rumpfseiten noch das Heck des Helikopters wiesen eine Kennzeichnung auf, und die beiden Männer auf den vorderen Sitzen trugen keine Uniform. Sie streiften Adnan mit einem knappen Blick, als er sich nun auf einem der hinteren Sitze angurtete. Man hätte meinen können, die Männer versuchten seine Anwesenheit zu ignorieren.
Adnan verschwendete keinen Gedanken mehr an seine toten Kameraden. Längst gingen seine Überlegungen weiter, beschäftigten sich mit dem Ruhm, der ihm bald zuteil werden würde. Falls sie Erfolg hatten, würde die Menschheit voller Ehrfurcht und Achtung von ihm sprechen.
Offiziell war Adnan al-Rimi tot, aber nie würde sein Leben wertvoller sein als jetzt.
Der Hubschrauber flog auf Nordkurs, nach West-Pennsylvania, zu einer Ortschaft namens Brennan. Schon eine Minute später war es still am Himmel des ländlichen Virginia. Nur das Rauschen des Regens, der langsam die Ströme Blut fortspülte, war zu vernehmen.
KAPITEL 1
Er rannte und rannte, während rings um ihn her Kugeln einschlugen. Er konnte nicht erkennen, wer schoss, und er hatte keine Waffe, um das Feuer zu erwidern. Die Frau neben ihm war seine Ehefrau, und das Mädchen an ihrer Seite war ihre gemeinsame Tochter. Ein Geschoss durchschlug die Hand der Frau, und er hörte sie aufschreien. Dann fand eine zweite Kugel ihr Ziel, und mit einem Ausdruck ungläubigen Staunens riss seine Frau die Augen auf: Es war jener Sekundenbruchteil, da die Pupillen sich weiten und den Augenblick des Todes anzeigen, noch ehe das Gehirn ihn registriert. Als die Frau zusammenbrach, sprang der Mann zu dem kleinen Mädchen, um es mit dem Körper zu schützen. Seine Hände griffen nach ihr, verfehlten sie jedoch wie jedes Mal.
Er erwachte und setzte sich kerzengerade auf. Schweiß rann ihm über die Wangen und sickerte in seinen langen, struppigen Bart. Aus einer Flasche schüttete er sich Wasser ins Gesicht. Die kühlen Tropfen linderten den brennenden Schmerz, den sein immer wiederkehrender Albtraum jedes Mal hinterließ.
Als er sich vom Bett schwang, stießen seine Knie gegen die alte Kiste, die daneben stand. Der Mann zögerte, klappte dann den Deckel hoch. In der Kiste lag ein zerfleddertes Fotoalbum. Der Reihe nach sah er sich die wenigen Fotos der Frau an, die seine Gattin gewesen war; dann betrachtete er die Aufnahmen seiner Tochter, die sie als Säugling und als Kleinkind zeigten. Bilder aus späterer Zeit gab es nicht. Er hätte sein Leben dafür geopfert, seine Tochter nur für einen flüchtigen Augenblick als junge Frau sehen zu dürfen. Kein Tag verstrich, ohne dass er darüber nachgrübelte, was aus ihr hätte werden können.
Er ließ den Blick durch das spärlich eingerichtete Innere des Häuschens schweifen, betrachtete die staubigen Regale, die mit Büchern zu den verschiedensten Sachgebieten gefüllt waren. Beim großen Fenster, das den Blick auf das bereits im Dunkeln liegende Gelände bot, stand ein alter Schreibtisch mit Kladden, deren Seiten in seiner akkuraten Handschrift vollgeschrieben waren. Ein vom Ruß geschwärzter Steinkamin diente
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