Camel Club 02 - Die Sammler
gespielter Bitterkeit. »Ich musste mir eine ganz neue Existenz aufbauen. Das war nicht leicht, aber ich wollte ihm nicht die Genugtuung geben, mich am Boden zu sehen, wissen Sie. Ich streiche den Unterhalt nur ein, weil er mir zusteht. Aber der Mistkerl hat jetzt keinen Einfluss mehr auf mein Leben.«
Das Verhalten der Angestellten änderte sich schlagartig. »Ich weiß genau, wovon Sie reden«, sagte sie mit gesenkter Stimme, während sie die Buchung vornahm. »Ich bin von meinem Exmann nach zwölf Jahren Ehe wegen so einem jungen Flittchen fallen gelassen worden.«
»Nein, wirklich?«, stieß Annabelle hervor. »Eine so hübsche Frau wie Sie muss eine so bittere Pille schlucken!«
»Ich würde meinem Ex auch gern eine Pille zu schlucken geben«, murmelte die Angestellte vor sich hin. »Eine Giftkapsel.«
Annabelle betrachtete die Dokumente, die auf dem Kassenschalter lagen. »Ich nehme an, es gibt einen Gutschriftsvorbehalt, nicht wahr?«, sagte sie beiläufig. »Ich frage bloß, weil ich derzeit ein paar Rechnungen begleichen muss. Es wäre mir lieber, es bliebe alles bei mir, aber meine Gewinnspanne liegt bei zehn Prozent, wenn ich Glück habe.«
Die Kassiererin zögerte. »Nun ja, normalerweise ist es bei hohen Schecks so.« Sie sah Annabelle an, lächelte und heftete den Blick auf den Computer. »Allerdings ist das Konto, mit dem der Betrag belastet wird, bestens gefüllt, und Ihre Firma hat einen einwandfreien Kontenverlauf. Deshalb stelle ich den Betrag unverzüglich frei.«
»Oh, wunderbar. Vielen Dank!«
»Wir Exfrauen müssen zusammenhalten.«
»Auf jeden Fall«, sagte Annabelle, ehe sie sich umdrehte und mit dem Kontoauszug, der bescheinigte, dass ihre »Firma« um 40000 Dollar reicher geworden war, die Bank verließ.
Unterdessen arbeitete Leo die ihm zugeteilten Schecks rasch ab und verbrachte in jeder Bank zumeist nicht mehr als zehn Minuten. Schnelligkeit war der Schlüssel zum Erfolg, wie er wusste. Allerdings kam es auf Schnelligkeit ohne Schlamperei an. Leos Methode bestand darin, erst einmal einen Scherz zu machen – meist auf die eigenen Kosten –, um das Eis zu brechen.
»Mir wär’s lieber, das Geld würde auf mein Konto wandern«, sagte er, getarnt als Bürobote, zu einem Kassierer. »Dann könnte ich wenigstens die Miete zahlen. Gibt’s in dieser Scheißstadt eigentlich keinen Vermieter, der für seine Rumpelkammer nicht gleich ’ne Kaution verlangt, für die man sich ’nen Supersportwagen zulegen könnte?«
»Das ist ein echtes Problem hier«, antwortete der Bankangestellte mitfühlend.
»Ich kriege in meine Wanzenbude nicht mal ’n Bett rein«, sagte Leo. »Ich hab zum Pennen bloß ’n Sofa.«
»Sie können von Glück reden, überhaupt eine eigene Bude zu haben. Wegen dem mickrigen Bankgehalt muss ich noch bei meinen Eltern wohnen.«
»Ja, aber ich bin dreißig Jahre älter als Sie. Wenn es mit mir so weitergeht, wohne ich bei meinen Eltern auf dem Friedhof, wenn Sie hier Bankdirektor sind.«
Der Kassierer lachte und händigte Leo einen Bankauszug mit einer Gutschrift über 38000 Dollar aus. »Verplempern Sie nicht alles auf einmal«, scherzte der junge Mann.
»Keine Bange.« Leo schob den Beleg in die Tasche und pfiff beim Verlassen der Bank vor sich hin.
Am Spätnachmittag hatten sie siebenundsiebzig von den achtzig Schecks erfolgreich vorgelegt. Tony waren zehn Schecks zugeteilt worden, und mit jedem Erfolg wuchs seine Selbstsicherheit.
»Das ist ja ein Kinderspiel«, sagte er, als er sich zusammen mit Leo umkleidete. Hinter einem Laken, das quer durch den Innenraum des Lieferwagens gespannt war, war auch Annabelle damit beschäftigt, ihr Äußeres zu verändern. »Diese Trottel sitzen da«, fuhr Tony fort, »und glauben jedes Wort, das man ihnen auftischt. Die gucken sich die Lappen nicht mal an. Ich verstehe nicht, warum jemand noch Banken überfällt.«
Annabelle lugte über das Laken. »Es sind noch drei Schecks da. Wir nehmen jeder einen.«
»Und pass auf, wenn du aus dem Wagen steigst, Tony«, sagte Leo.
»Wieso?«
»Du bist im Moment so aufgebläht, dass du vielleicht nicht durch die Tür passt.«
»He, Alter, warum musst du mich ständig ärgern?«
»Er gibt dir bloß einen guten Rat, Tony«, sagte Annabelle, »weil es nicht leicht ist, gefälschte Schecks zu Geld zu machen.«
»Für mich ist es leicht.«
»Weil Annabelle dir in ihrer unendlichen Weisheit die einfachsten Fälle zugeschanzt hat«, erklärte Leo.
Tony starrte Annabelle an.
Weitere Kostenlose Bücher