Camel Club 02 - Die Sammler
geschickt«, sagte Tony.
»Das ist es ja gerade, was man nicht schnallen kann, Jungchen«, erklärte Leo. »Man trifft Sicherheitsvorkehrungen bei Schecks für Leute, die für einen arbeiten oder mit denen man Geschäfte macht, aber bei Schecks, die an Hinz und Kunz verschickt werden, gibt’s keine Sicherheitsmaßnahmen.«
»Ich habe dieses Bürogebäude ausgesucht«, sagte Annabelle, »weil es dort mehrere Filialen von Versicherungsunternehmen gibt. Da wandern jeden Tag Tausende von Schecks in die Post, und die Konten sind immer prallvoll.«
Fünf Stunden später hatte Freddy achtzig Schecks zusammengesucht. »Die sind alle gut für uns. Keine Wasserzeichen, Kontrollstreifen oder Prüffelder.« Er brachte die Schecks in eine kleine Werkstatt, die er in einem Nebenzimmer des Büros eingerichtet hatte. Mit Hilfe der anderen pappte er auf jedes Unterschriftsfeld – vorn und hinten – ein Stück durchsichtigen Klebestreifens, warf sämtliche Schecks in eine große Bratpfanne und goss Nagellackentferner über das Papier. Nach kurzer Zeit hatte das Azeton sämtliche Beschriftungen aufgelöst, die nicht aus Druckerschwärze bestanden. Nachdem die Klebestreifen entfernt worden waren, blieben achtzig Blankoschecks mit den Originalunterschriften eines Direktors oder Prokuristen zurück.
»Jemand hat mein Konto mal mit einem falschen Scheck belastet«, sagte Leo.
»Und was hast du getan?«, fragte Tony.
»Ich hab den Drecksack ausfindig gemacht. Er war ein Amateur, dem es mehr um den Nervenkitzel ging, aber ich fühlte mich trotzdem angepisst. Also hab ich ihm ’ne neue Anschrift verpasst, an die alle für ihn bestimmten Rechnungen gingen – die natürlich retourniert wurden und er verlor für ein paar Jahre jede Kreditwürdigkeit. Also wirklich, solche Sachen soll man gefälligst den Profis überlassen.« Leo zuckte mit den Achseln. »Mann, ich hätte dem Burschen den Todesstoß versetzen und seine Identität annehmen können, das volle Programm …«
»Und warum hast du’s nicht getan?«, fragte Tony.
»Weil ich ein Herz habe«, brummte Leo.
»Wenn die Schecks trocken sind«, verkündete Freddy, »ändere ich die Bankleitzahl.«
»Was für ’n Ding?«, erkundigte sich Tony.
»Bist du sicher, dass du ’n Abzocker bist?«, fragte Leo belustigt.
»Meine Werkzeuge sind Computer und Internet«, schimpfte Tony, »kein Nagellackentferner. Ich bin ein Abzocker des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Ich arbeite papierlos.«
»Juhuu-juhuu-juhuuu!«, jubelte Leo.
Annabelle hielt Tony einen der Schecks unter die Nase. »Das sind die Leitziffern«, sagte sie, indem sie auf die ersten beiden Ziffern einer langen Zahlenreihe an der Unterkante des Formulars deutete. »Sie zeigen der Bank, dass der Scheck tatsächlich von der Verrechnungskasse stammt, der er zuzuleiten ist. Die Leitziffern der New Yorker Verrechnungskasse sind die Null-Zwo. San Francisco hat die Zwölf. So stellt zum Beispiel eine in New York ansässige Firma im Normalfall Schecks einer New Yorker Bank mit New Yorker Leitziffern aus. Weil wir die Schecks hier vorlegen, wird Freddy bei allen Schecks die New Yorker Leitziffern einsetzen. Dann dauert es länger, bis die Versicherung den Scheck zurückkriegt und erfährt, dass er gefälscht worden ist. Noch wichtiger ist, dass die Großunternehmen heutzutage den gesamten Zahlungsverkehr bargeldlos abwickeln. Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Buchhaltung sich bei so vielen relativ unwichtigen Transaktionen erst beim Monatsabschluss mit falschen Schecks beschäftigt. Heute ist der Fünfte, das heißt, es bleibt fast ein Monat, bis etwas auffliegt. Bis dahin sind wir über alle Berge.«
»Aber wenn ein Kassierer sich den Scheck anschaut«, wandte Tony ein, »und merkt, dass die Bankleitzahl nicht stimmt?«
»Ich habe noch nie gehört, dass ein Bankangestellter die Bankleitzahl eines Schecks überprüft hätte«, sagte Annabelle. »Wenn man einem Kassierer keinen Verdachtsgrund gibt, beachtet er die Zahl nicht.«
Nachdem die Schecks getrocknet waren, scannte Freddy sie seinem Notebook ein. Sechs Stunden später lagen achtzig Schecks mit einem Gesamtwert von 2,1 Millionen Dollar auf dem Tisch.
Annabelle strich mit dem Finger an der perforierten Kante eines der Schecks entlang; dieser Rand war ein allgemeines Zeichen für die Echtheit eines solchen Scheckformulars, mochten auch die eingetragenen Daten falsch sein. Sie blickte ihre Kumpane an. »Okay. Jetzt müssen wir die Schecks an den Mann
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