Camel Club 02 - Die Sammler
Macht und zum gesellschaftlichen Status«, entgegnete Caleb voller Abscheu.
»Also, ich hätte in der einen oder anderen meiner Ehen nichts gegen solche Vorteile einzuwenden gehabt«, gestand Reuben. »Liebe war da, wenigstens ein Weilchen, aber alles andere hat gefehlt.«
Stone hatte erneut die Dame in Schwarz im Augenmerk. »Die Frau da drüben, kommt sie euch bekannt vor?«
»Schwer zu sagen«, meinte Caleb. »Sie trägt Hut und Sonnenbrille.«
Stone holte ein Foto heraus. »Ich glaube, sie ist DeHavens Exfrau.« Die Clubmitglieder scharten sich um das Foto. Caleb und Milton sahen die Frau geradewegs an und wechselten sich beim Hinstarren ab. »Könnt ihr euch vielleicht noch auffälliger verhalten?«, fauchte Stone.
Die Trauergemeinde zog auf den Friedhof. Nachdem die am Grab üblichen Rituale beendet waren, kehrten die Teilnehmer zurück zu ihren Autos. Die Dame in Schwarz verweilte noch am aufgebockten Sarg, während nahebei zwei Friedhofsarbeiter warteten. Stone blickte umher und stellte fest, dass Behan und seine Ehefrau soeben ihre Limousine erreichten. Dann suchte er die Umgebung nach Personen ab, für die das Folterhandwerk, darunter die »Surfbrett«-Folter, zum Alltag gehören mochte. Wenn man wusste, worauf man zu achten hatte – und Stone wusste es –, ließen solche Leute sich erkennen. Doch er sah keine Verdächtigen.
Er winkte den Freunden, dass sie ihm folgen sollten, während er seine Schritte zur Dame in Schwarz lenkte. Sie hatte eine Hand auf den Rosenholzsarg gelegt und murmelte etwas, vielleicht ein Gebet.
Sie warteten, bis ihre Lippen sich nicht mehr bewegten. »Es ist traurig«, sagte Stone, als die Frau sich ihnen zuwandte. »Jonathan stand auf dem Höhepunkt seines Lebens.«
»Woher kennen Sie ihn?«, fragte die Unbekannte in Schwarz, ohne die Sonnenbrille abzunehmen.
»Ich habe in der Kongressbibliothek mit ihm zusammengearbeitet«, gab Caleb ihr Auskunft. »Er war mein Vorgesetzter. Man wird ihn sehr vermissen.«
Die Frau nickte. »Ja, wie wahr.«
»Und woher kannten Sie ihn?«, erkundigte sich Stone.
»Wir waren vor langer Zeit miteinander bekannt«, wich sie der Frage aus.
»Lange Freundschaften werden heute immer seltener.«
»Ja, allerdings. Bitte entschuldigen Sie mich.« Die Frau ging an ihnen vorbei und wollte sich entfernen.
»Merkwürdig, dass die Gerichtsmedizin keine konkrete Todesursache ermitteln konnte«, sagte Stone laut genug, dass die Frau es noch hören musste. Die Bemerkung hatte die gewünschte Wirkung. Die Unbekannte blieb stehen und drehte sich um.
»In der Zeitung stand«, sagte sie, »er sei an einem Herzanfall verstorben.«
Caleb schüttelte den Kopf. »Er ist gestorben, weil sein Herz stehen blieb, aber er hatte keinen Herzinfarkt. Da haben die Zeitungen danebengeraten.«
Die Frau kam ein paar Schritte näher. »Es tut mir leid, ich habe mir Ihre Namen nicht merken können.«
»Ich bin Caleb Shaw und arbeite im Lesesaal der Raritätenabteilung der Kongressbibliothek. Das ist mein Freund …«
Stone hob die Hand. »Sam Billings. Freut mich, Sie kennen zu lernen.« Er deutete auf die beiden anderen Camel-Club-Mitglieder. »Der Lange da ist Reuben, und das ist Milton. Und Sie sind?«
Sie missachtete die Frage und wandte sich an Caleb. »Wenn Sie in der Bibliothek arbeiten, müssen Sie genauso in Bücher vernarrt sein, wie Jonathan es war.«
Es beglückte Caleb sichtlich, dass das Gesprächsthema plötzlich seinem Fachgebiet galt. »Oh ja. Jonathan hat mich in seinem Testament sogar zu seinem literarischen Nachlassverwalter bestimmt. Ich habe die Aufgabe, seine Sammlung zu katalogisieren, schätzen zu lassen und zu verkaufen. Der Erlös fällt wohltätigen Zwecken zu …« Er verstummte, als er sah, dass Stone ihn mit einem Zeichen zum Schweigen aufforderte.
»Das klingt ganz nach Jonathan«, sagte die Frau. »Ich nehme an, sein Vater und seine Mutter sind inzwischen tot?«
»Sein Vater lebt schon lange nicht mehr. Seine Mutter ist vor zwei Jahren gestorben. Jonathan hatte das Haus geerbt.«
Stone hatte den Eindruck, dass es die Frau erhebliche Selbstbeherrschung kostete, nicht vor Genugtuung zu lächeln. Was hatte der Anwalt Caleb erzählt? Dass die Ehe geschieden wurde? Vielleicht gar nicht auf Wunsch der Frau, sondern auf Veranlassung des Ehemanns, und zwar auf Drängen seiner Eltern?
»Es wäre schön«, sagte die Unbekannte zu Caleb, »dürfte ich einen Blick ins Haus werfen. Und auf Jonathans Sammlung. Sicherlich ist sie inzwischen
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