Camel Club 04 - Die Jäger
fragte Reuben.
»Im Augenblick nicht. Wir halten dich im Hintergrund für den Fall, dass etwas schiefgeht.«
»Was spielst du diesmal?«, fragte Caleb. »FBI-Agentin oder verlassene Ehefrau?«
»Weder noch. Ich hab was Neues.« Annabelle überprüfte im Innenspiegel Gesicht und Frisur; dann öffnete sie die Seitentür und stieg aus. »Falls ich in zehn Minuten nicht zurück bin, fahrt ans Ende der Straße. Dort treffen wir uns wieder.«
»Und wenn du nicht kommst?«, fragte Reuben.
»Dann dürft ihr davon ausgehen, dass ich den Auftritt verbockt habe. Dann fahrt und fahrt, ohne anzuhalten.«
Sie warf die Tür zu und betrat das Gebäude.
»Hallo?«, rief sie. »Hallo?«
Eine Tür schwang auf, und Lincoln Tyree kam in den kleinen Vorraum. »Kann ich Ihnen helfen, Ma’am?«
Annabelle betrachtete den hochgewachsenen Gesetzeshüter, der in frisch gestärkter Uniform, auf Hochglanz gewichsten Stiefeln und mit düsterer Miene vor ihr stand. »Ich hoffe es«, sagte sie. »Ich suche jemanden.« Sie holte ein Foto heraus und zeigte es ihm. »Haben Sie diesen Mann gesehen?«
Tyree blickte auf Oliver Stones Foto, ließ sich aber nichts anmerken. »Warum kommen Sie nicht erst mal herein?« Er hielt ihr die Tür zum Büro offen.
Annabelle zögerte. »Ich möchte eigentlich nur wissen, ob Sie den Mann gesehen haben.«
»Und ich muss wissen, warum Sie ihn suchen.«
»Sie haben ihn also gesehen?«
Tyree wies mit der Hand ins Büro. Annabelle hob die Schultern und ging an ihm vorbei. Im Büro saß ein zweiter Mann. Er trug einen Seersucker-Anzug und eine rote Fliege.
»Das ist Charlie Trimble, der Herausgeber der Lokalzeitung.« Trimble schüttelte Annabelle die Hand. Tyree schloss die Tür und deutete auf einen Stuhl. Das Foto noch in der Hand, nahm er hinter seinem sorgfältig aufgeräumten Schreibtisch Platz.
»Okay, dann erzählen Sie mir mal, worum es eigentlich geht«, sagte Tyree.
»Es ist eine vertrauliche Angelegenheit«, antwortete Annabelle und heftete den Blick auf Trimble. »Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, aber ich würde lieber unter vier Augen mit dem Sheriff sprechen.«
Trimble stand auf. »Wir können unsere Unterhaltung später fortsetzen, Sheriff.« Sein Blick streifte das Foto. Auch von der Seite konnte er erkennen, dass die darauf abgebildete Person der Mann war, den er unter dem Namen Ben kannte. »Vielleicht können wir beide nachher auch noch ein bisschen miteinander plaudern, Ma’am.«
»Mein Name ist Susan Hunter«, sagte Annabelle, als Trimble gegangen war, und reichte Tyree einen professionell gefälschten Führerschein. »Der Mann auf dem Foto ist mein Vater. Es kann sein, dass er sich Oliver oder John nennt oder sich einen ganz anderen Namen zugelegt hat.«
»Wozu so viele Namen?«, erkundigte sich Tyree, besah sich die Fahrerlaubnis und gab sie Annabelle zurück.
»Mein Vater war vor vielen Jahren für die Regierung tätig. Er hat den Dienst unter … nun ja, ziemlich ungewöhnlichen Umständen verlassen. Seither ist er gewissermaßen ständig auf der Flucht.«
»Ungewöhnliche Umstände? Ist er kriminell geworden?«
»Nein. Die ungewöhnlichen Umstände, von denen ich rede, sehen so aus, dass Feinde der Vereinigten Staaten ihn suchen, um ihn aus Rache zu töten, weil er ihre Pläne durchkreuzt hat.«
»Feinde? Wer?«
»Zum Beispiel Regierungen, die Ihnen nicht unbekannt wären. Ich kann nicht behaupten, dass ich über die ganze Geschichte Bescheid weiß, aber in der Zeit zwischen meinem sechsten Lebensjahr und meinem College-Einstieg sind wir vierzehn Mal umgezogen. Meinen Eltern wurden ständig neue Namen, Biografien und Berufe zugewiesen. Es gab Kontaktleute, die sich damit beschäftigt haben.«
»Dann waren Sie alle in einer Art Zeugenschutzprogramm?«
»In gewisser Weise. Mein Vater war ein echter amerikanischer Held, der sehr gefährliche Aufträge für die USA erledigt hat. Allerdings hatte dieses Heldentum seinen Preis. Und diesen Preis zahlen wir schon seit langem.«
Tyree rieb sich das Kinn. »Dadurch könnte sich mir eine Menge erklären.«
Eifrig beugte Annabelle sich vor. »Er ist also hier gewesen?«
Der Sheriff lehnte sich in den Bürostuhl. »Er war hier, ja. Er nannte sich Ben, Ben Thomas. Wie ist es Ihnen gelungen, ihm bis zu uns zu folgen?«
»Er hat mir eine verschlüsselte Nachricht übermittelt. Leicht war es nicht. Ich bin schon in fast jeder Kleinstadt in dieser Gegend gewesen und hatte beinahe schon die Hoffnung aufgegeben.«
»Nun, wie
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