Camel Club 04 - Die Jäger
gesagt, er war hier. Aber jetzt ist er’s nicht mehr.«
»Und wo ist er?«
»Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, lag er im Krankenhaus.«
»Im Krankenhaus? War er verletzt?«
»Er wäre um ein Haar in die Luft gesprengt worden, hatte aber Glück. Ich bin in aller Frühe in der Klinik gewesen, um mit ihm zu sprechen, aber da war er bereits fort.«
»Hat er das Krankenhaus freiwillig verlassen?«
»Keine Ahnung.«
»Er wäre fast in die Luft gesprengt worden, sagen Sie?«
»Ja. Hier sind in letzter Zeit einige rätselhafte Dinge geschehen. Noch blicke ich nicht durch. Ihr Vater hat mir geholfen. Übrigens wird nicht nur er vermisst, sondern auch ein junger Mann namens Danny Riker. Ich hatte zu seinem Schutz einen Aufpasser abgestellt, weil irgendjemand ihm ans Leder wollte. Aber irgendwie ist es Danny gelungen, sich ebenfalls aus dem Krankenhaus zu schleichen.«
»Und Sie haben keine Ahnung, wo mein Vater jetzt sein könnte?«
»Nein, Ma’am, tut mir leid. Ich wollte, ich wüsste es. Ich bin hier der einzige Polizist und völlig überlastet. Aber wenn Ihr Vater Nutznießer eines Zeugenschutzprogramms war, wieso ist er dann geflüchtet?«
»Vor ein paar Wochen wurde ein Mordanschlag auf ihn unternommen. Er hat mich in Sicherheit gebracht und sich anschließend abgesetzt. Der Anschlag war so professionell, dass mein Vater wahrscheinlich den Schluss gezogen hat, dass Insider daran beteiligt waren.«
»Nun, falls er gehofft hat, sich hier verstecken zu können und ein bisschen Ruhe und Frieden zu finden, hat er sich schwer getäuscht.«
»Was meinen Sie damit?«, fragte Annabelle.
Es kostete Tyree mehrere Minuten, ihr zu schildern, was sich seit Stones Ankunft in Divine zugetragen hatte. Annabelle lehnte sich zurück und stellte in rasender Eile Überlegungen an. Sie war nicht versessen darauf, in die seltsamen Geschehnisse verwickelt zu werden, die sich zurzeit in Divine zutrugen, doch falls diese Vorfälle mit Stones Verschwinden im Zusammenhang standen, gab es wahrscheinlich keinen anderen Weg, um ihn ausfindig zu machen. Nervös strich sie mit den Händen über die Armlehnen des Stuhls. »Hat außer mir irgendjemand hier im Ort – ein Fremder, meine ich – Erkundigungen über meinen Vater eingezogen?«
»Nicht dass ich wüsste. Er hat bei Bernie gewohnt, einem Zimmervermieter gleich um die Ecke. Sie können ihn ja mal fragen.«
»Mach ich, Sheriff. Und vielen Dank.« Sie stand auf; auch Tyree erhob sich. »Gibt es hier sonst jemanden, der mir weiterhelfen könnte?«
»Ja, Abby Riker. Ihr gehört Rita’s Restaurant weiter unten auf der Straße. Sie und Ben haben sich anscheinend sehr gut verstanden.«
Bildete Annabelle es sich ein, oder lag Eifersucht in der Stimme des Sheriffs?
»Danke.« Sie reichte ihm eine Visitenkarte. »Hier steht meine Rufnummer für den Fall, dass Ihnen noch etwas einfällt.«
Als Annabelle ging, blieb Tyree mit sorgenvoller Miene in seinem Büro stehen.
Offenbar hatte Charlie Trimble vor dem Haus auf Annabelle gewartet. »Vorhin habe ich zufällig das Foto des Mannes gesehen, nach dem Sie suchen«, sagte er. »Ich habe ihn wegen einiger Vorkommnisse interviewt, die sich hier kürzlich ereignet haben. Vielleicht hat der Sheriff Sie eingeweiht …?«
»Mord, Selbstmord und Sprengstoffanschläge, ja, er hat es erwähnt. Sie haben mit dem Mann gesprochen? Was hat er Ihnen gesagt?«
»Wissen Sie … ich hatte mir eigentlich überlegt, dass wir in eine Art Informationsaustausch eintreten.«
»Wie bitte?«
»Ich bin Zeitungsverleger, Ma’am. Als ich hierher gezogen bin und das Lokalblättchen aufgekauft habe, dachte ich, ich bräuchte über nichts Aufregenderes zu berichten als über Hühnerdiebstähle und Kneipenschlägereien. Doch wenn man überlegt, was sich jetzt hier abspielt, fühle ich mich beinahe wieder wie zu Hause in Washington.«
Annabelle verzog das Gesicht. Trimbles schmierige Art widerte sie an. »Was genau wollen Sie von mir?«
»Sie erzählen mir etwas, und ich erzähle Ihnen etwas.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel, wer Ben wirklich ist.«
»Und was können Sie mir erzählen, wenn ich mich darauf einlasse?«
»Wir müssen ein bisschen gegenseitiges Vertrauen an den Tag legen. Als Erstes kann ich Ihnen sagen, dass er auf mich nicht wie der typische Herumtreiber gewirkt hat, von Anfang an nicht. Seine Sprache war zu gebildet und zu geistreich. Und seine körperlichen Fähigkeiten sprachen für sich. Nach allem, was ich erfahren habe, hat er in
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