Camp Concentration
gravierender.«
»Gravierender?« wiederholte sie unsicher. Sie starrte auf die weißen Linien, die unter der Kühlerhaube verschwanden, immer schneller, bis sie schließlich wie ein einzige, unaufhörliche, nicht mehr so leuchtend weiße Linie erschienen.
Er schaltete den Autopiloten ein, und die Geschwindigkeit steigerte sich. Der Wagen wechselte hinüber auf die stark befahrene dritte Spur.
»Nein, die Warenknappheit ist die unvermeidliche Folge der Bevölkerungsexplosion.«
»Fang nicht wieder mit dem Grübeln an, Jimmy!«
»Sie haben gedacht, daß sich das von selbst ausgleichen würde. Daß die Kurve S-förmig verlaufen würde.«
»Sie«, sagte Mina deprimiert, »wer ist ›sie‹?«
»Riesman zum Beispiel. Aber sie haben sich getäuscht. Die Kurve steigt immer weiter. Exponential.«
»Wirklich?« Sie hatte das vage Gefühl, daß er etwas an ihr auszusetzen hatte.
»420 Millionen«, sagte er. »470 Millionen. 690 Millionen. 1,09 Milliarden. 2,5 Milliarden. 5 Milliarden. Und bald schon 10 Milliarden. Die Kurve schießt hoch wie eine Ranger-Rakete.«
»Bürokram«, dachte sie. »Wenn er bloß nicht immer den Bürokram mit nach Hause brächte!«
»Es ist eine gottverdammte Hyperbel!«
»Jimmy, bitte!«
»Entschuldige.«
»Es ist wegen Billyboy. Er sollte solche Ausdrücke nicht von seinem eigenen Vater hören. Wirklich, Jimmy, du solltest dir über diese Dinge nicht so viel Sorgen machen. Im Fernsehen haben sie gesagt, daß der Wassermangel im nächsten Frühjahr behoben sein wird.«
»Du weißt immer, wie du mich wieder in bessere Stimmung bringen kannst.« Er beugte sich über den Kopf des Babys zu ihr hinüber und gab ihr einen Kuß. Billyboy begann zu schreien.
»Kannst du ihn nicht zum Schweigen bringen?« fragte Skilliman nach einer Weile.
Mina redete beruhigend auf ihren einzigen Sohn ein (die drei andern Sprößlinge waren Mädchen: Mina, Tina und Despina) und versuchte, seine wild fuchtelnden, flanellbedeckten Ärmchen zu tätscheln. Entmutigt zwang sie ihm schließlich eine gelbe Beruhigungstablette (für Kleinkinder bis zu zwei Jahren) in den Mund.
»Es läuft einfach auf Malthus hinaus«, fuhr Skilliman fort. »Du und ich, wir vermehren uns in geometrischer Progression, während die uns zur Verfügung stehende Nahrungsmenge nur nach dem Gesetz der arithmetischen Reihe zunimmt. Die Technologen geben sich alle Mühe, aber gegen den Fortpflanzungstrieb können sie nichts ausrichten.«
»Sprichst du immer noch von den Babys in China?«
»Dann hast du also doch zugehört!« sagte er überrascht.
»Was die dort brauchen, ist eine Geburtenregelung, wie wir sie haben. Sie müssen sich an die Pille gewöhnen. Und an Homos. Stell dir vor, das soll jetzt bald gesetzlich erlaubt sein! Ich hab’s in den Nachrichten gehört. Was sagst du dazu?«
»Vor zwanzig Jahren wäre das eine gute Idee gewesen. Aber jetzt kann die Kurve durch nichts mehr ausgeglichen werden. Das hat der große Computer im Massachusetts Institut of Technology ausgerechnet. Im Jahr 2003 werden 20 Milliarden Menschen auf der Erde leben, da beißt die Maus keinen Faden ab. Und darauf bezieht sich meine Theorie.«
Mina seufzte. »Erklär sie mir.«
»Also, die richtigen Maßnahmen müssen zwei Voraussetzungen erfüllen: Sie müssen im richtigen Verhältnis zu dem zu lösenden Problem, also zu den heute lebenden 10 Milliarden Menschen, stehen, und sie müssen überall gleichzeitig durchgeführt werden. Für Experimente wie etwa in Österreich, wo man zehntausend Frauen sterilisiert hat, ist jetzt keine Zeit mehr. Das nützt nämlich so gut wie nichts.«
»Weißt du, daß eine meiner Schulkameradinnen sterilisiert wurde? Ida Strauss. Sie sagte, es hat nicht weh getan und sie hat genauso viel Spaß an ... du weißt schon was ... gehabt wie zuvor. Der einzige Unterschied war, daß sie nicht mehr ... du weißt schon ... geblutet hat.«
»Willst du meine Theorie nicht wissen?«
»Ich hab’ gedacht, du hast sie mir schon erklärt.«
»Mir kam die Idee Anfang der sechziger Jahre, als ich eines Tages eine Luftschutzsirene hörte.«
»Eine Luftschutzsirene?«
»Nun sag bloß nicht, daß du in Deutschland keine Sirenen gehört hast!«
»Doch, doch. Als kleines Mädchen ständig. Jimmy, du wolltest doch zuerst zu Mohammeds Eisbar fahren!«
»Du willst also unbedingt einen Eisbecher haben?«
»Es ist die letzte Gelegenheit. Das Essen im Krankenhaus ist fürchterlich.«
»Also gut.« Er dirigierte den Wagen auf die langsame
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