Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Camp Concentration

Camp Concentration

Titel: Camp Concentration Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas M. Disch
Vom Netzwerk:
Belohnungseffekt. Die beste Belohnung, die er zu bieten hat, ist die Chance, sich mit ihm unterhalten zu dürfen. Die Kunst, andere niederzuschmettern, beherrscht er wie kein zweiter.
    Seine eigentliche Stärke liegt aber darin, daß er unweigerlich die Schwächen anderer erkennt. Seine zwölf Marionetten hält er deshalb so souverän in Schach, weil er sich sorgfältig Leute ausgesucht hat, die manipuliert werden wollen. Jeder Diktator weiß, daß an solchen Typen nie Mangel herrscht.

    20.
    Offenbar habe ich Haast stärker beeindruckt, als ich jemals für möglich gehalten habe. Seine letzte Mitteilung erinnert mich an Ablehnungsschreiben von Zeitschriftenredaktionen: »Ihr Porträt Skillimans ist nicht konkret genug. Wie sieht er aus? Wie spricht er? Was für ein Mensch ist er?«
    Wenn ich’s nicht besser wüßte, könnte ich fast glauben, daß auch Haast Pallidin genommen hat.

    21.
    Also: Wie sieht er aus?
    Obwohl eigentlich ein schlanker Typ, ist er sich selbst zum Trotz dick. Hätte er mehr als zwei Arme und zwei Beine, könnte man ihn mit einer Spinne vergleichen: ein aufgeblasener Körper und dünne Gliedmaßen. Seine Kahlheit versucht er vergeblich zu verbergen, indem er dünne seitliche Haarsträhnen quer über seine glänzende Glatze kämmt. Blaugesprenkelte, durch dicke Brillengläser vergrößerte Augen. Verkümmerte Ohrläppchen. Ich ertappe mich immer wieder dabei, daß ich sie anstarre - auch weil ich weiß, daß es ihn ärgert. Im Grund wirkt er nicht wie ein Mensch aus Fleisch und Blut, eher wie ein Butterkloß, von dem man Scheiben abschneiden kann, ohne daß man den wahren Skilliman, den aus Metall, im geringsten beschädigt. Scheußlicher Körpergeruch (als sei die Butter ranzig geworden). Schlimmer Raucherhusten. Ein hartnäckiger Pickel unten am Kinn, den er als ›Leberfleck‹ bezeichnet.

    22.
    Wie spricht er?
    Nasal: Texas, gemildert durch Kalifornien. Das Näseln verstärkt sich, wenn er mit mir spricht. Ich glaube, er hält mich für einen Vertreter des Ostküsten-Establishments, jener bösen Clique von Liberalen, die ihm vor vielen Jahren Stipendien für Harvard und Swarthmore verweigerten.
    Aber eigentlich wollten Sie fragen: Was spricht er?, nicht wahr? Ich würde seine Äußerungen in verschiedene Kategorien unterteilen:

    A. Äußerungen, mit denen er sein Interesse an der eigenen Arbeit oder an der Arbeit anderer ausdrückt. (Beispiel: »Wir müssen uns von der veralteten Vorstellung des Bombenabwerfens freimachen, d. h. von der Vorstellung der einzelnen ›Bombe‹. Statt dessen sollten wir zur umfassenderen Vorstellung der ›Bombigkeit‹ als einer Art Aura gelangen. Ich stelle mir das manchmal wie einen Sonnenaufgang vor.«)

    B. Äußerungen, mit denen er seine Verachtung des Schönen ausdrückt und zugleich - ziemlich offen - sein Bestreben, es zu vernichten, wo immer es ihm begegnet. (Das beste Beispiel dafür ist der Ausspruch des Nazifunktionärs Hanns Johst, den er, auf eine Holztafel eingebrannt, über seinem Schreibtisch hängen hat: »Wenn ich das Wort ›Kultur‹ höre, entsichere ich meinen Revolver.«)

    C. Äußerungen, mit denen er seine Verachtung gegenüber Kollegen und anderen ausdrückt. (Skillimans Meinung über Haast habe ich bereits früher zitiert. Hinter dem Rücken seiner loyalsten ›Holzköpfe‹ schimpft er über sie - und wenn sie nicht spuren, sagt er ihnen die gleichen Beschimpfungen ins Gesicht. Als Schipansky, ein junger Programmierer, einmal versagt hatte und sich mit den Worten entschuldigte: »Ich hab’ alles versucht, wirklich alles!«, antwortete Skilliman: »Aber es hat sich einfach nicht hochkitzeln lassen, was?« An sich ein harmloser Scherz, aber in Schipanskys Fall wahrscheinlich nur allzu wahr. Wenn Skilliman überhaupt einen tragischen Charakterzug hat, dann ist es, wie bei de Sade, das Unvermögen, dem Drang, andere zu verletzen, zu widerstehen.)

    D. Äußerungen, mit denen er seine Selbstverachtung und seinen Haß auf alles Fleischliche ausdrückt. (Beispiel: ein Witz, den er über die Wirkung des Pallidins auf den ›Rube-Goldberg-Mechanismus des Soma‹ machte. Ein besseres Beispiel: Seine Vorliebe für katalogische Ausdrücke. Einmal saßen im Speisesaal alle auf Kohlen, weil er behauptete, er habe Essen und Scheißen verwechselt.)

    E. Äußerungen und Ideen, die ihm seine ungezügelte und weitgespannte Intelligenz eingibt. Sosehr ich mich auch bemühe - es gelingt mir nicht, alle seine Äußerungen zu seinen Ungunsten

Weitere Kostenlose Bücher