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Camp Concentration

Camp Concentration

Titel: Camp Concentration Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas M. Disch
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›Syphilisierung‹ bedienen müsse. Dadurch würde die Heilung beschleunigt und die Möglichkeit des Rückfalls oder der erneuten Ansteckung ausgeschaltet. Bei Aurias-Turennes Tod im Jahr 1878 stellte man fest, daß die Leiche mit Narben bedeckt war: Er hatte seine ›Syphilisierungs‹-Methode an sich selbst ausprobiert, d. h. er hatte syphilitischen Eiter in offene Wunden seines Körpers eingeführt.

    15.
    Durch Skillimans Initiative ist das Experiment in seine zweite Phase eingetreten. Jetzt erst ist der Punkt erreicht, auf den man von Anfang an hingearbeitet hat. Jetzt kann man mit den verschiedenen Forschungen im apokalyptischen Bereich dessen, was wir ›reine Wissenschaft‹ nennen, beginnen.
    Er hat zwölf Helfer mitgebracht, die er als ›Holzköpfe‹ bezeichnet (in einem so grandios verächtlichen Ton, daß selbst seine Opfer ihm ihre Bewunderung nicht versagen können). Es sind einstige Studenten oder Assistenten, die sich freiwillig für den Pallidin-Test gemeldet haben. So begierig sind wir darauf, die höchsten Aufschwünge des Geistes zu erleben - wir, die wir diesseits des Jordans einhalten! Ich bin froh, daß man mich nicht in Versuchung geführt hat. Ob ich ihr erlegen wäre?
    Auf einem hohen Berg inmitten endlos sich dehnender Reiche aus Gold ... Noch jetzt kann ich die Stimme des Verführers hören: »Alle diese Macht will ich dir geben.«
    Dichtung. Schluß damit!

    16.
    Eine andere Tatsache also, und sogar eine mit Seltenheitswert.
    Um herauszufinden, ob es sich in allen auftretenden Fällen um ein und dieselbe Geschlechtskrankheit handelte (man verwechselte damals den Tripper mit der Syphilis), injizierte Benjamin Bell, ein Edinburgher Wissenschaftler, im Jahre 1793 seinen Studenten den Krankheitserreger.
    Ein vorsichtigerer, aber keineswegs sympathischerer Mensch als Aurias-Turenne.

    17.
    Mitteilung von H. H.: »Warum zum Teufel befassen Sie sich mit Aurias-Turenne?« Außerdem will er wissen, was ›diesseits des Jordans‹ zu bedeuten hat.
    Auf Aurias-Turenne (wie auch auf Dr. Bell) habe ich hingewiesen, weil er offenbar von dem gleichen faustischen Drang nach Wissen um jeden Preis erfüllt war, den wir auch an unserem Dr. Skilliman beobachten können. Faust war bereit, dem Himmel abzusagen; Dr. Skilliman, der wohl kaum an den Himmel glaubt, ist bereit, einen noch höheren Preis zu zahlen: sein Leben auf Erden. Und das alles, um einen pathologischen Zustand kennenzulernen! In A-T.s Fall: Syphilis, in Skillimans Fall: Genialität.
    Was den Jordan betrifft, verweise ich Sie auf das Fünfte Buch Mose (Kap. 34) und auf Josua (Kap. 1).

    18.
    Etwas über Skillimans Charakter. Er beneidet andere um ihre Berühmtheit. Jedesmal, wenn er über Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens spricht, denen er irgendwann einmal begegnet ist, merkt man sofort, daß er ihnen ihre Fähigkeiten und Leistungen mißgönnt. Nobelpreisträger machen ihn rasend. Die Lektüre einer wissenschaftlichen Studie aus seinem eigenen Fachgebiet ist ihm nahezu unerträglich, weil ein anderer sie geschrieben hat. Je mehr Bewunderung ihm wertvolle Erkenntnisse abnötigen, desto wütender knirscht er (insgeheim) mit den Zähnen. Seit die Droge auf ihn zu wirken begonnen hat (vor ungefähr sechs Wochen wurde sie injiziert), hebt sich seine Stimmung zusehends. Er erinnert an einen Bergsteiger, der in freudiger Erregung die Markierungen hinter sich läßt, die seine Vorgänger dort angebracht haben, wo sie ihren Aufstieg abbrachen. Ich kann mir vorstellen, wie er ihre Namen aufzählt: »Jetzt hab’ ich Van Allen eingeholt! Jetzt geht’s an Heisenberg vorbei!«

    19.
    Skillimans Charisma.
    Dies ist wohl oder übel das Zeitalter des Teamworks. Eine Generation später wird sich nach Skillimans Überzeugung die Kybernetik so weit entwickelt haben, daß das einsame Genie wieder in Mode kommen wird - vorausgesetzt, daß man ihm genügend Geld für die Anschaffung einer ganzen Batterie von automatisch programmierten Computern zur Verfügung stellt.
    Skilliman mag seine Mitmenschen nicht, aber da er sie braucht, hat er gelernt, mit ihnen umzugehen - ungefähr so, wie ich mir einst, widerstrebend, das Autofahren beigebracht habe. Ich habe das Gefühl, daß er sich in seinen ›zwischenmenschlichen Beziehungen‹ auf ein Lehrbuch der Psychologie stützt. Wenn er einen seiner Untergebenen wütend beschimpft, denkt er wahrscheinlich: »Ein wenig negative Anspornung kann nie schaden!« Wenn er jemanden lobt, denkt er bestimmt an den

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