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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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der schon verheiratet war und ein oder zwei Kinder hatte, Onkel Adrasto, der bald heiraten würde – Tante Nazzarena nämlich, die Marokkanerin aus Cori –, dann Onkel Treves und Onkel Cesio, der noch klein war und in Littoria auf die Schule für Vermessungswesen ging; dazu noch all die zu verheiratenden Frauen oder die mit unehelichen Kindern. Sie werden verstehen, dass es da nicht großzügig zugehen konnte, und Onkel Adelchi hatte daher immer zu ihnen gesagt, jedes Mal wenn die Rede darauf kam: »Ihr habt recht, wir sind zu viele.«
    »Ah ja, ihr habt wirklich recht«, pflichtete Onkel Adrasto sofort bei, denn er und Onkel Adelchi waren wie Pericle und Iseo, das heißt einer blond, der andere schwarz, aber ein Herz und eine Seele, ein Paar, das immer zusammenhielt. Der eine brauchte nur ein Wort zu sagen, da hatte der andere schon den ganzen Gedankengang begriffen und gutgeheißen. Kampfmaschinen, die im gleichen Takt arbeiteten – zwei Ochsen unter einem Joch –, Gedanke und Tat, unzertrennlich in der Attacke. Ein solches Paar waren Onkel Pericle und Onkel Iseo, ein anderes Onkel Adelchi und Onkel Adrasto, auch wenn hier ein gewisses Ungleichgewicht herrschte, denn auf dem Feld hat Onkel Adelchi nie wirklich zugepackt, das hat er immer Onkel Adrasto überlassen. Er steuerte Sachverstand und gute Ratschläge bei. Die beiden sagten jedenfalls: »Ihr habt wirklich recht.« Und dann schwiegen sie und warteten ab.
    »Aber nein, lasst uns doch alle zusammen hierbleiben«, sagten Onkel Treves und Onkel Turati: »Oder wir ziehen aus«, aber es war klar, dass sie das nur aus Höflichkeit gegenüber dem Bruder sagten.
    »Aber bleibt doch alle hier«, sagte Großvater. »Wenn der Hof in zehn Jahren uns gehört, bauen wir nur Gemüse an. Intensive Bewirtschaftung, und davon leben wir alle herrlich und in Freuden.«
    »Aber nein«, sagte Großmutter, »sie haben Recht, wir sind zu viele hier.«
    Tatsache ist, dass Onkel Pericle und Onkel Iseo nach jahrelangem Hinundherüberlegen auszogen und für sich lebten. Nicht dass sie ans andere Ende der Welt gezogen wären. Sie waren drei oder vier Kilometer von uns weg. Nach wie vor an der Parallela Sinistra am Canale Mussolini, aber jenseits der Via Appia, nicht mehr Höfe der ONC , sondern Grund, der in privater Hand geblieben war. Durch den Fascio, durch Rossoni und vor allem den Agronomen Pascale, einen halben Neapoletaner, war es meinen Onkeln gelungen, zwei Höfe zu je zwanzig Hektar in Erbpacht zu übernehmen mit dem Versprechen auf Umwandlung in Eigentum. Diese Höfe gehörten zu einem großen Landwirtschaftsbetrieb gewisser Grafen Cerisano-Caratelli, wo dieser Pascale eben Direktor war. »Müssen wir uns denn immer mit Grafen herumschlagen?«, hatte Onkel Iseo versucht einzuwenden.
    Aber sie waren gegangen. Diese Grafen Cerisano-Caratelli waren anständige Leute, umgänglich, nicht wie die Grafen Zorzi Vila, Gott strafe sie. Mit den Cerisano-Caratelli konnte man reden, und jedes Mal, wenn Onkel Pericle sagte: »Machen wir das so oder so?«, antwortete der Graf sofort: »Macht das, wie Ihr wollt, Pericle, uns ist es recht so.« Und sie tätigten Investitionen jeder Art. In dieser Zeit schenkte die Provinzleitung des Fascio ihm den Traktor, und Onkel Pericle verkaufte ihn – Onkel Benassi schimpft noch heute darüber –, um sich neue Milchkühe anzuschaffen.
    Der Boden war gut – besser als unserer, da er auch vorher schon bearbeitet worden war –, er lag erhöht und war, auch bevor die Meliorationsarbeiten durchgeführt wurden, kaum Überschwemmungen ausgesetzt gewesen, es gab Obstbäume und Rebstöcke. Meine Onkel arbeiteten von früh bis spät, aber es lohnte sich – sie holten da gewisse Zuckerrüben aus dem Boden, armdick –, sie waren froh und glücklich, und ihre Frauen erst! Auf diesen Höfen waren nur Armida und Tante Zelinda, die Frau von Onkel Iseo, die Häuser standen dicht beieinander, und jede wiegte die Kinder der anderen oder versohlte sie, falls nötig, nach Strich und Faden, als ob es ihre eigenen wären. Sie lebten in schönstem Einvernehmen, und die Bienen machten einen Honig, sage ich Ihnen, es gab keine Aufseher von der ONC mehr, und wenn die Grafen Cerisano-Caratelli oder der Agronom Pascale kamen, hatten sie nie etwas auszusetzen, sie nickten nur immer, und bevor sie eintraten, klopften sie sogar an.
    Der einzige Nachteil war, dass wir mitten unter Ungläubigen lebten, in terra infidelium , auf allen Seiten umgeben von den Siedlern aus

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