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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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beim Rübenstechen. Es war in den frühen fünfziger Jahren, und wir gingen alle in einer Reihe übers Feld. Er kam mit einem Kollegen auf der Straße vorbei. Es war in den Fünfzigern, ich sage es noch einmal, und Latina hatte als Stadt schon große Fortschritte gemacht, es gab nicht mehr nur vier oder fünf vigili , sondern mittlerweile war das eine komplette motorisierte Staffel, und sie waren immer zu zweit unterwegs, wie die Carabinieri oder die Straßenpolizei.
    Sie kamen also auf der Parallela entlang und hielten an. Sie ließen die Motorräder auf der Straße stehen und kamen her, um guten Tag zu sagen. »Na, Delchí, du bist wohl gekommen, um auch Rüben zu stechen, hm?«, frotzelte ihn Onkel Iseo. Da legte er, um es dem Kollegen zu zeigen, zuerst Koppel und Pistole ab, dann zog er Jacke und Hemd aus, und in Unterhemd, Uniformhosen und Motorradstiefeln nahm er einen Haken, sagte: »Jetzt werd ich dir’s zeigen!« und zog zwei oder drei Rüben heraus. Das einzige Mal, dass ich ihn dabei gesehen habe. Aber nur zwei oder drei Rüben, denn gleich darauf sagte er: »Leider bin ich im Dienst«, alle lachten, »sonst würde ich dir’s schon zeigen.«
    Bei alledem wachte er natürlich nach wie vor als Erster auf, vor allen anderen – jetzt hatte er Anspruch auf ein Zimmer für sich –, wusch sich gründlich, rasierte und parfümierte sich, zog Hemd und Uniform an, die Großmutter immer tiptop gebügelt für ihn bereitlegte, woraufhin er fix und fertig angekleidet, die Haartolle unterm Visier mit Brillantine eingeschmiert, sämtliche Türen aufriss und in alle Zimmer rief, vor allem bei den Schwestern und Nichten, ob sie nun ledig oder verheiratet waren: »Aufwachen, Mädels, die Sonne steht schon hoch, aufwachen, Zeit, aufs Feld zu gehen.«
    »Dass dich doch der Teufel hol«, sagten meine Onkel jeden Morgen zu ihm.
    Es war 1937, Onkel Adelchi war gerade aus Ostafrika zurück, aber wie Sie wissen, war da ja auch schon der Spanische Bürgerkrieg ausgebrochen. Das war ein sehr harter Krieg. Auf der einen Seite die Roten, unterstützt von Tausenden Freiwilligen aus aller Herren Länder, mit Waffen und Material unterstützt, aber vor allem von der Sowjetunion, auf der anderen Seite die Generäle mit Italien und Nazideutschland.
    »Aber wozu soll denn das gut sein, auch in Spanien Krieg zu führen?«, sagte Großmutter.
    »Aber was versteht Ihr denn schon von Politik, Mama?«, sagten meine Onkel lachend. »Wenn du nicht zu den anderen gehst, kommen die anderen früher oder später zu dir. Das nennt man Suppremazie, Mama.« Und meinen Onkeln zufolge war der Duce überhaupt nicht dumm: Sollte er etwa zulassen, dass sich am anderen Ufer des Mittelmeers – das war schließlich mare nostrum – die Bolschewiken festsetzten? Ja, ich bin doch nicht blöd, sagte sich der Duce und schickte sofort unsere Truppen hin. Solang wir Onkel Adelchi in Afrika hatten, konnten wir dem Fascio gegenüber sagen: »Nun, Adelchi ist ja in Afrika.« Aber sobald Onkel Adelchi zurück war, musste einer von uns freiwillig nach Spanien gehen. »Wer geht diesmal?« Es traf Onkel Treves, der auch noch nicht verheiratet war. Onkel Turati wollte mit ihm zusammen gehen – um ihn nicht allein zu lassen –, obwohl er Frau und zwei kleine Kinder hatte: »Der Sold ist gut«, sagte er munter zu seiner Frau, »und wir sind zu stark, da ist überhaupt keine Gefahr, mein Liebes. Und wir können etwas Geld auf die Seite legen.«
    »Ja, aber ich bin dann allein«, sagte sie weinend.
    »Du bleibst hier!«, sagte Großmutter da, und Onkel Turati blieb zu Hause. Er ging nicht fort.
    Onkel Treves dagegen ist in den Spanischen Bürgerkrieg gezogen, und wir haben diesen Krieg weitergeführt, Tag für Tag – verflucht seien die Grafen Zorzi Vila –, zu unserer eigenen und zur Erlösung der Pontinischen Sümpfe, die nun fast völlig trockengelegt waren.
    Unterdessen legten der Duce und Cencelli am 19. Dezember 1934, nachdem sie im April desselben Jahres Sabaudia eingeweiht hatten, den Grundstein für Pontinia, und da waren wir auch dabei. Oder besser gesagt, in Wirklichkeit hatte Cencelli riskiert, nicht dabei zu sein. Ein paar Tage zuvor hatte er einen Autounfall gehabt. Ich weiß nicht mehr auf welcher Straße war ihm plötzlich eine Maremma-Kuh vors Auto gelaufen. Er hat sie voll erwischt. Die Kuh war tot, sein Wagen kippte auf die Seite und wurde gegen die Balustrade einer Brücke geschleudert. Er riss sie mit und landete im Graben. Die Bauern zogen ihn heraus,

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